Notizen aus der Provinz

Toreinfahrt in Wanfried, Werra-Meißner-Kreis – Mathilde Magazin

Wahlheimat, so nennt man das wohl. Hamburg ist also meine Wahlheimat. Das ist ein bisschen so wie ein zweite Liebe oder vielleicht wie eine Stiefmutter. Die erste Liebe wird immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen behalten, meine Mama sowieso. Eine Stiefmama habe ich gar nicht. Aber ich stelle mir vor, dass es wie bei einem meiner Freunde wäre. Der mag seine Vizemama, wie er sie nennt, schon sehr gerne. Ich glaube, manchmal lieber als seinen Papa. Seine Mutter aber kann sie nie ersetzen. Wie bin ich jetzt bloß auf das Vizemama-Ding gekommen? Ach so, Hamburg. Die Stadt an Elbe und Alster mit den besten Ruderrouten, den tollsten Sonnenuntergängen, dem Hafen, lässigen Kneipen, warmroten Backsteinhäusern, weltstädtischer Eleganz, kiezigem Hipstertum – Hamburg habe ich ganz bewusst gewählt. Ich lebe richtig gerne in der Freien und Hansestadt.

Gegen kleine rot-weiße Fachwerkhäuser, verwunschene Flussauen, vor allem aber

Die Werra – Mathilde Magazin

Die alte Schlagd in Wanfried

die Schule, auf der schon mein Vater und Großvater und zuletzt ich Abitur gemacht haben, wo der Direktor immer Geschichten über meinen Papa zum Besten gab, die Ecke, wo ich die erste superheimliche Zigarette geraucht habe oder diese andere Ecke, wo der erste Kuss … Kurz gegen Eschwege und das Werratal kommt Hamburg natürlich nicht an. Hier habe ich als Kind diese Paddeltour gemacht, als die Werra noch Grenzfluss war und die Soldaten in den Wachtürmen am gegenüberliegenden Ufer unser kleines Boot Kilometer um Kilometer mit den Augen verfolgten.

Verwunschene Fahrradwege bei Eschwege

Verwunschene Fahrradwege bei Eschwege

In einem der kleinen Fachwerkhäuschen war meine allererste Stammkneipe, ganz in der Nähe auf dem Werdchen habe ich mich das allererste Mal so richtig verliebt. Später musste ich mich dann auch zum ersten Mal wieder entlieben – das hat nicht so gerockt. Noch etwas später fand ich die Kleinstadt mit gerade mal 20.000 Einwohnern und im wesentlichen zwei Kneipen, zu eng und zu provinziell. Danach mussten es erst Universitäts- und dann Großstädte in Deutschland und anderswo sein. Wie schön es in Nordhessen ist, wie lieblich die sanften Täler, die Flussauen, wie hübsch die Fachwerkstädtchen sind, das habe ich früher irgendwie nie gesehen. Aber jetzt, wo ich mit der Hamburgfietsin hier radeln war!

Die Werra bei Wanfried – Mathilde Magazin

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