Der Pfau – Urlaubslektüre für einen verregneten Sommer oder jede andere Gelegenheit

Sonnendruchtränkter Küchentisch mit Pfau

Ich stelle an mir zunehmend eine Tendenz zum verfeinerten Geschmack fest. Wahrscheinlich sind dieses Internet und all die neuen Technologien* schuld. Jedenfalls kaufe ich in meiner Lieblingsbuchhandlung entweder schöne Bücher – also von außen schöne Bücher, ob sie innerlich passen, wird sich im Laufe des Lesens heraus stellen – oder nix. Allen anderen Lesebedarf, Fachbücher, Krimis, Liegestuhl-Lektüre (schnell zu lesen, schnell zu vergessen, dazwischen aber ganz unterhaltsam, jedenfalls wenn man es nicht zu oft macht) erwerbe ich elektronisch.

Sehr schön gemacht ist der rot-weiß-blaue Roman Der Pfau.

Mathilde mag der Pfau

Man kann mit den Fingern über den Schutzeinband streichen, die glänzenden Stellen fühlen und sich schon mal ein bisschen vorfreuen ob des glänzenden Inhalts. Ob er wirklich glänzt, kann man da zwar noch nicht wissen, schön ist es trotzdem.

Darum liebe ich alles, was so blau ist

Aber fangen wir von vorne an. Ein Pfau ist verrückt geworden, alles Blaue hält er für bekämpfenswerte Nebenbuhler. Zum Glück für den Pfau und die Geschichte scheint in den schottischen Highlands das Meiste sattgrün zu sein, hie und da unterbrochen vom Braun der Baumstämme und dem verwaschenen gelb-grau der Steinhäuser. So bleibt mir als Leser Zeit die Familie McIntosh kennen zu lernen, die ihr altes Herrenhaus mit der Vermietung von Zimmern, ehemaligen Wirtschaftsgebäuden und Scheunen zu erhalten versuchen. Zum Beispiel an Gruppen wie die Londoner Banker, die sich für ein verlängertes Wochenende eingemietet haben. Allerdings bringt der verrückte Pfau das Teambuilding der Banker, die mitsamt Köchin und Psychologin anreisen, einigermaßen durcheinander. In London ist blau nicht ganz so abwegig wie in den Highlands, so dass nicht nur die Psychologin blaue Karteikarten zum An-die-Wand-pinnen dabei hat, das Auto der Abteilungsleiterin ist auch blau. In die Garage kann man es aber leider nicht stellen, weil dort schon all der Krempel geparkt ist, der das Bild vom altehrwürdigen Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert in großartiger Natur stören würde. Und so sollen die zahlungskräftige Gäste das Anwesen natürlich nicht sehen. Aileen, die Haushaltshilfe von Lord und Lady McIntosh hat zusammen mit der Lady alles extra fein hergerichtet, da braucht niemand rostige Gartenstühle, kaputte Kleinmöbel und Kram im Blick. Das blaue Auto bleibt also draußen auf dem Parkplatz stehen, der Pfau im Wald. Lord McIntosh hat ihn extra weit weg vom Herrenhaus getrieben. Aber da bleibt er nicht für immer.

Erklärungsbedarf

Am Ende hat ein Auto ein paar unerklärliche Dellen, ein Pfau ist tot, ob erschossen oder vom Jagdhund gerissen, weiß man nicht so genau. Und alle machen sich leise Sorgen ob ihrer Verwicklung in die Angelegenheit. Suchen und finden Erklärungen, äußern wieder ganz andere und finden – nun ja – interessante Lösungen: Unterdessen wird gekocht, geteamworkt, gefroren, heiß gebadet, gewandert, gut, nein: sehr gut gegessen, geredet, erklärt, widersprochen und noch mal geredet.

Das alles hat Isabel Bogdan unterhaltsam und elegant daher geplaudert. So, dass es völlig egal wäre, wenn Sie das Ende der Geschichte schon kennten. Als Leser verstehe ich jede der Figuren nur zu gut. Ich kann mitfühlen, wenn sie genervt sind, oder es ihnen zu kalt ist. Man versteht vollkommen, warum an dieser Stelle eine Ausrede her muss und warum, dass zur nächsten kleinen Notlüge führt.
Ach und Spoiler: Machen Sie es wie in einem Programmkino nach einem guten Film: Bleiben Sie bis ganz zum Schluss. Da kommt noch was.

Und ich? Ich muss jetzt mal Urlaub in Schottland machen. Das wäre ein geradezu klassischer Urlaub um viele schöne Bücher (ach was: gleich eine ganze Urlaubslektüre Bibliothek) in eine bezauberndes kleines Stein-Cottage mitzunehmen. Man könnte es sich abends nach getätigten Wanderungen und Besichtigungen vor dem Kamin gemütlich machen. Ach, ich sehe alles in den schönsten Farben vor mir. Vorher sollte ich auf jeden Fall noch mal bei Cohen & Dobernigg vorbei. Sie sehen, das nimmt kein Ende.

  • * Seien wir ehrlich, dass Internet gibt es schon gefühlte Ewigkeiten, mindestens aber seit über 22 Jahren für ein breiteres Publikum. (In Wahrheit natürlich viele Jahrzehnte länger.) Spätestens 1994 habe ich auf die ersten Websites und auf Links geklickt. Und wenn ich damals damit angefangen habe, dann kann es kein Geheimtipp mehr gewesen sein.
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