Florenz

Fast das Erste, was ich in Stefanos schmucker Wohnung bemerke, ist der Küchenschrank über der Spüle. Von außen sieht er aus wie ein handelsüblicher Oberschrank einer Einbauküche. Öffnet man ihn, fällt auf: Der hat gar keinen Boden. So kann das frisch gespülte Geschirr darin trocknen. Die Beobachtung ist kein Zufallsfund. Mehr so ein Déja-vu-Moment. Als ich die Küche betrete, fällt mir ein, dass in der Küche von Guiseppes und Gianfrancos Eltern so ein Schrank hing. Damals fand ich das recht seltsam, später praktisch. Heute hängt deshalb über meiner Spüle ein Abtropfregal von Ikea, nicht ganz so elegant wie die italienische Lösung aber immerhin. Vielleicht ist es genau das, was Florenz und Norditalien ausmachen, dieses anstrengungslose, praktische Eleganz.

Überall am Arno steht sie herum diese Eleganz.

Ich wandere über die Piazze und Straßen von Florenz, bewundere Statuen, Kirchen und Brücken. Perfekt sind die Tor- und Brückenbogen geschwungen, anmutig die vielen Mamorstatuen, gut, die Autoabgase haben sie dreckig gemacht , aber sie blicken nonchalant darüber hinweg. So wie der berühmte mamorweiße David vor dem Pallazzio Vecchio, dem alten Rathaus der Stadt. Dass er eine Kopie ist und das Original aus dem frühen 16. Jahrhundert in der Galleria dell’Accademia steht, geschenkt. Dass seiner Aufstellung am fünften Juni 1504 ein Skandal in mehreren Kapiteln vorausgegangen war (Darf ein nackter Mann in der Kirche aufgestellt werden? Wenn nicht dort, wo dann? Im öffentlichen Raum etwa? Die Bewohner Florenz‘ waren empört.), geschenkt. Dass er blass und nackt inmitten der Touristenströme auf der Piazza della Signoria herumsteht, dem David scheint es vergleichsweise egal zu sein. Stoisch blickt er über das wuselige Treiben braungebrannter Sandalenträger hinweg.

San Niccolò

Nur mir ist es nicht wirklich egal. Mir wird die Hitze auf den vollen Plätzen, das Gedränge in den engen Gassen zu viel. Ich muss hier raus. Zum Glück hat mir Stefano verraten, wo Florenz auch im Juli toll ist. Auf der anderen Seite des Arno, im Viertel San Niccolò ist es weniger voll. Hier haben kleine Handwerker und Händler ihre Geschäfte, wirken die Gassen in ihrer Enge dunkler und beschaulicher. Die Toskana macht es mir schrecklich einfach, sie zu lieben. Die Pasta in den kleinen Restaurants überall ist vorzüglich mit frischen, reifen Tomaten, wie sie mir zuhause irgendwie seltener begegnen, der Mozzarello di Buffulo ist aromatisch, genau wie die Pilze, das Rissotto cremig und erst der Café, ach Cappuccino, Espresso und Co. Ich könnte stundenlang Vorträge darüber halten, wie viel leckerer so ein simpler Café südlich der Alpen ist. Dabei haben wir bei uns doch inzwischen auch jede Menge toller Cafés, Coffeeshops und Co, in den Bariste mit viel Getöse jede Café-Spezialität herstellen, die wir uns nur wünschen. Trotzdem in San Niccolò ist die Bohne irgendwie besser ausbalanciert auf halbem Weg zwischen Säure und Aroma, die Crema cremiger, ich weiß es auch nicht genau, leckerer eben.

Es regnet ein bisschen, was im Süden irgendwie nicht stört. Es ist wärmer, der Regen weicher. Trotzdem, irgendwann reicht es mit dem Pfützen-Hüpfen, eine Pause muss her. Zufällig komme ich an der Piazza di Santo Spirito vorbei finde ein kleine unauffälliges Musicafé, das Volume. Ach, ist das schön sich in einen Sessel sinken zu lassen, bei einem unnachahmlichen (da war ich schon, nicht wahr?) Cappuccino die Zeitung zu studieren und Italiener, Touristen und Regen draußen vorbei tröpfeln zu lassen. Ich könnte das den ganzen Tag tun und weil ich gerade Urlaub habe, mache ich das auch.

Santo Spirito

Die Gegend um die Kirche von Bruneleschi* ist ein ganz normales Viertel, Leute wohnen da, fahren mit der Vespa um die Ecke. Abends kommen sie von der Arbeit, noch in den schicken Klamotten und – zumindest die Mädels – hohen Schuhen, treffen sich irgendwo auf einen Drink und eine Kleinigkeit zu essen.**
Hier sehen selbst die Schuster, Schneider und anderen Handwerkerläden irgendwie schick aus. All die eleganten rahmengenähten Herrenschuhe, feinen Damenhüte der Modistin nebenan und üppig drapierten Damaststoffe des Polsterers atmen mehr feine Handwerkskunst als der einfache Schuster/ Schlüsselmacher, den wir bei uns im Viertel haben.

Piazzale San Michele

Es ist voll hier oben auf der Anhöhe, die Leute stehen sich die Füße platt und vertreiben sich die Zeit damit ihrem Nachbarn die Ellbogen in die Seite zu rammen. Aber sei es drum, der Blick über die renaissancehaftige Schönheit der Stadt ist es irgendwie trotzdem wert. Später gehe ich gemächlich den Berg wieder runter und versuche so schnell wie möglich nach links abzubiegen um irgendwo in den Tiefen des Oltrarno ein kleines Ristorante zu finden, das ein wenig weniger Touristenverseucht ist. Nichts gegen Touristen, das bin ich selber. Aber zu viele von uns haben oft so fiese Folgen: schäbbige Speisekarten mit noch schäbbigeren Fotos, die einem allen Appetit vertreiben wollen, langweilige Pasta mit billigem Käse und noch billigerem Rotwein, genervte Kellner. Nein, so soll das Leben nicht sein, lieber so wie das Eis von B.Ice, wo ich abends auf dem Rückweg in mein Appartement in Exzellent gemacht, cremig, fruchtig, ach einfach so, so gut.

  • * Man muss eben doch nicht mitten im Stadtzentrum durch die Touristenströme waten um eines seiner Bauwerke zu bewundern. Eine Nummer kleiner geht das auch hier.
    ** Allein diese Normalität ist der Grund, warum ich unbedingt normale Schuhe trage (und keine Outdoor-Sandalen) und eine eher elegante Tasche. Ich mag nicht die einzige Touristin im Bikini sein, wenn alle anderen elegant gekleidet sind.
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