Verortung der Vororte

Wir probieren hier gerade wochenendweise Urlaub zu Hause aus. Anderer Urlaub geht im Moment ja nicht so gut. Alles verständlich, aber ich habe trotzdem ab und an das Bedürfnis raus zu kommen. Aus Gründen haben wir die Idee der Nahreisen wieder ausgegraben. Und aus Gründen haben wir sie um ein Kriterium erweitert: Touristische Attraktivität soll bei unseren Reiseplänen keine herausgehobene Rolle spielen, im Gegenteil je alltäglicher ein Ort umso besser.

In der Nähe von

Hamburg. Es sollen ja nicht unbedingt viele andere Leute da sein, so wie an der Hamburger Außenalster. Fußgänger-Zonen, Sparkassen-Neubauten der Achtziger und Grünzeug, wir kommen.
Neulich waren wir in Elmshorn, diesen Sonntag in Reinbek. Reinbek bei Hamburg, wo früher Bücher gemacht wurden, heute werden die Bücher in Hamburg bei Reinbek gemacht, genauer: bei uns im Viertel. Früher als ich noch selbst in der Provinz wohnte, war es ein regelmäßiger Programmpunkt in die große Stadt zu fahren. Dort bekam ich dann eine wirklich coole Jeans und neue Schuhe (die Sachen, die man bei uns im Städtchen kaufen konnten, disqualifizierten sich schon dadurch, dass es sie eben auch in er Provinz gab) und später gingen wir in eines der hübschen Cafés im der Fußgängerzone, tranken Kaffee (Mama) und Kakao (ich), schlemmten Kuchen und sahen die Leute an uns vorbei schlendern. Die große Stadt von damals wirkt von Hamburg aus betrachtet auch wie Provinz, was aber nichts macht. Coole Jeans kaufe ich inzwischen oft online und im Café sitzend möchte ich gerne auch mal andere Nasen sehen als die aus unserem Viertel. Außerdem können wir im Moment ja eh bloß recht eingeschränkt in Cafés und anderen Lokalitäten sitzen. Und dieses eingeschränkte Sitzen geht in kleinen, unscheinbaren Orten durchaus besser, weil weniger Menschen auf die Idee kommen, genau da auch rumsitzen zu wollen. Die paar Anderen haben wir uns im Schlosspark von Reinbek ausführlich angeschaut. Vorher, vorher sind wir eine Runde durch den Wald gelaufen und haben hübsche Häuser bestaunt.

Nachher sind wir auf die andere Seite der Bahnlinie gegangen und die Hauptstraße durch den Ort gegangen. Das ging recht schnell. So dass wir danach noch reichlich Zeit hatten dem ehemaligen Sitz des Rowohlt Verlages in Reinbek zu suchen und zu finden. Nach einigem Hin- und Hergelaufe haben wir sie gefunden, die Moderne der 60er Jahre. Hell und offen liegen die Bungalows in der grünen Wiese herum, rechts erhebt sich ein weißer Quader. Hier, ein wenig abseits des Hamburger Trubels über Texte nachzudenken, kommt mir ganz passend vor. Vorbei. Jetzt arbeiten die Leute von Rowohlt mit Blick auf die Gleise des Hamburger Hauptbahnhofs. Naja oder neuerdings eben doch wieder in Reinbek im Heimbüro.

Isolierung ist nichts für Anfänger, meint Isabella Donnerhallen. Sie muss es wissen, sie zieht sich oft zurück. Und ich? Ich kann beides, glaube ich. Eigentlich bin ich manchmal ganz gerne alleine. Ich habe gerne Zeit für mich um zu lesen, nachzudenken, rumzupusseln. So schnell wird mir da nicht langweilig. Unter Leute bin ich aber durchaus auch gerne. Ich will meine Lieben sehen, meine Familie, meine Freunde. Und da kommen wir zum Problem mit dem Jetzt. Seit das so gar nicht mehr geht und vielleicht jahrelang nicht mehr gehen wird, wird‘s mir zu lang. Können wir jetzt etwa kein Familienfest im Sommer mit allen Cousinen, Cousins, Kindern und Anverwandten machen? Im Sommer keine Freunde im Süden besuchen? Ach und nächstes Jahr vielleicht auch nicht? Oh. Ich finde es durchaus auch in Deutschland schön, gehen wir halt auf dem Rennsteig wandern statt auf Island reiten, fahren wir an die Nordsee statt nach Albanien, besuchen wir noch ein paar Vororte. Finde ich ein Jahr völlig in Ordnung, ein weiteres bestimmt auch, aber jahrelang? Oh.

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