Als blutiger Anfänger kann man den Rat weiser Herren gut gebrauchen. Wie gut, dass wir gleich zu Anfang einen trafen. Klar, die Hamburger Fietsin und ich hatten uns rennfein gemacht: Jacketts rausgesucht plus farblich passende Lang- beziehungsweise Kurzbinder (hihi, so heißen Schlips und Fliege in korrektem Modesprech), Helme und Hosen. Natürlich hatten wir auch unsere Bromptons startklar gemacht. Das änderte aber natürlich gar nichts daran, dass wir keine Ahnung hatten, was auf uns zu zukommen würde. Wie ernst soll man ein Radrennen nehmen, das mit kleinen Klapprädern ausgetragen wird und dessen Dresscode, nun ja, doch recht speziell ist? „Es ist britisch“, erklärte uns der Herr im Zug nach Bremen. „Ein bisschen exzentrisch und albern in Shorts und Schlips, aber gleichzeitig total ernst.“
Den Ernst der Lage
bemerkten wir auf dem Bremer Wartburgplatz erst einmal nicht, eher norddeutsch gedämpfte Karnevalsstimmung. Eine Dame hatte eine kleine Entenherde auf ihrem Helm platziert. Karo-Stümpfe, Krawatte und Klappfahrrad hatten viele farblich aufeinander abgestimmt. Es gab ganze Fahrradbanden, die alle mit demselben Helm-Modell antraten.
Eine schottische Dudelsack-Kapelle spielte zu Kaffee und Kaltgetränken auf, sonst passierte erst einmal nicht viel. Wir hatten reichlich Zeit die Farbkombinationen anderer Brompton-Räder zu begutachten und mit ihren Besitzern über die Vorteile des Klapprades in Bus, Bahn und auf dem Straßen der Stadt zu fachsimpeln. Wir erfanden Radyoga zur persönlichen Warmhaltung. Noch mehr Zeit hatten wir immer mal wieder den Sitz der Krawatte zu überprüfen. Wir hatten genügend Zeit die Räder im richtigen Startblock bereit zu stellen und das schnelle Auf- und Zuklappen zu üben. Dabei lernten wir von einem Mitstreiter, wie man das Rad noch ein bisschen schneller zur vollen Größe ausfährt, indem man Vorder- und Hinterrad mit einem beherzten Doppel-Griff an der Sattel und Lenkerstange gleichzeitig aufklappt. Ha!
Als wir uns zum Start alle aufstellten um auf Kommando zu unseren Rädern zu rennen, war ich dann unter meinem Helm doch merkwürdig aufgeregt. Ab dem Startschuss hatte ich zum Glück nicht mehr viel Zeit dafür. Wir rannten los, klappten die Räder mit fliegenden Fingern auf und rasten schnellstmöglich los. Schon in der ersten Kurve hängte mich die Hamburger Fietsin ab, ich konzentrierte mich auf einen gleichmäßigen Tritt in die Pedale. Mist der Sattel war mir in der Eile des Aufbaus etwas zu hoch geraten, aber mitten im Rennen absteigen und nachjustieren?, geht gar nicht, also weiter atmen und treten, treten, treten. Der Gegenwind war so unfreundlich wie er im Norden nun mal leider manchmal ist, zwischendurch nieselte es ein bisschen, egal, mir war schrecklich warm unterm Jackett. Nach einer guten halben Stunde war schon wieder alles vorbei. Die Hamburger Fietsin und ich hatten einen eigenen Fan mitgebracht und unser Superfan erfüllte seine Aufgaben mit fangerechtem Jubel im Ziel. Hinter dem Ziel gab es wiederaufbauende Snacks, ganz so als wären wir einen Marathon gelaufen und nicht bloß dreizehn einhalb Kilometer geradelt. Nächstes Jahr müssen wir auf die Insel, das ist klar.