Feriengefühle und Alltag

Hier sehen Sie eine Text-Bild-Schere. (Denn das Bild erzählt vom Davor, vor dem Husten lagen die Ferien.)

Husten,Schnupfen, Heiserkeit und ein bisschen Fieber, ich habe alles, was zu einer gründlichen Erkältung gehört. So gründlich, dass ich nach einer dreiviertel Arbeitswoche aufgebe und mich ins Bett einweise. Leider ist arbeitstechnisch gerade alles so dringend, dass ich Hustensaft und Laptop jonglierend aus dem Bett-Office weiter arbeite. Aus dem Hintergrund der Bettlaken heraus, Dinge im Vordergrund regeln zu wollen, zumal mit dickem Kopf funktioniert so mittelgut, vorsichtig formuliert. Ich kann das nicht empfehlen. Es ist sowieso eine Hybris zu glauben, man sei unersetzlich und müsste eben alles selber machen. Die Schwierigkeit ist nur, die Freiberufler unter Ihnen werden die Problematik kennen, ab wann ist krank, wirklich zu krank, so dass der Ersatzspieler einspringen muss. Der Moment ist gar nicht so leicht zu erkennen. Da mal drüber nachdenken.

Dabei hatte ich es gerade doch so schön. Blöd wie manchmal in nullkommanix das entspannte Feriengefühl vom Alltag hinweg gefegt werden kann. Deshalb schreibe ich es mir schnell zurück. Zwei Wochen sind wir durch das irgendwie menschenarme Tunesien gereist.

In Wahrheit ist es da gar nicht menschenarm. Es ist nur so, dass im März (Spitzen-Reisezeit, das Wetter ist tagsüber angenehm T-Shirt-tauglich, so frühlingshaft mit Sonnenstrahlen, durch die gelegentlich ein Windzug fährt, und abends Jacken-kühl, was sich zum Schlafen bestens eignet.) … dass im März jedenfalls gerade Ramadan war. Das wissen die großen Reiseveranstalter natürlich, weshalb sie nicht mit großen Gruppen kommen. Wir wussten es, äh, auch. Zumindest eine Weile vorher wurde es uns klar, da hatten wir die Flüge längst gebucht. Es hätte auch eh nix genutzt, wir hatten halt nur in diesen beiden Märzwochen Zeit. Keine Absicht, aber ich finde im Nachhinein, es hat sich ganz gut gefügt. Wir waren da, die meisten anderen potentiellen Gäste nicht. Trotzdem waren Museen und archäologische Stätten geöffnet. Jahrtausendealte römische Städte wie Dougga zum Beispiel schon im 4. Jahrhundert vor Christus von den Numidern gegründet. Wir könnten die antike Stadt, die in ihren Grundzügen noch erstaunlich gut zu erkennen ist, fast alleine erkunden. Es war toll. Auch in Karthago, heute ein feiner Villenvorort von Tunis (das Blankenese der Hauptstadt quasi) mit darin verprenkelten Überresten der Phönizier und der römischen Kolonialherren, sind wir durch menschenleere Straßen flaniert.

Die Tunesier waren natürlich auch im März in Tunesien. Nur waren sie tagsüber mit Fasten beschäftigt. Vormittags waren Ladengeschäfte und Handwerksbetriebe noch geöffnet, Menschen arbeiteten in Büros und auf Baustellen. Nachmittags erlahmte das allgemeine Leben. Viele legten eine Pause ein, das letzte Essen kurz vor Sonnenaufgang war schon ewig her, der Schlafmangel wegen des nächtlichen Essens tat ein Übriges, niemand mochte mehr so recht. Erst kurz vor halb sieben wurde es wieder geschäftig, die Laune stieg bei allen merklich, Väter gingen mit ihren Kindern noch schnell frisches Brot kaufen fürs Abendessen zu Hause. Alles rief und scherzte durcheinander, das gemeinsame Fastenbrechen war zum Greifen nahe. In den kleinen Restaurants in der City waren fast überall die Tische voll besetzt. Schweigend saßen Menschen in Anzug und Kostüm vor leeren Tellern, schauten die Vorspeisen-Oliven sehnsüchtig an … und warteten. Bis der Muezzin endlich über die Lautsprecher die ganze Stadt mit seinem Ruf beschallte. Auf einmal war alles voller Leben, die Anzugträger griffen sich die erste Olive, die Damen im Kostüm stießen klirrend mit ihren Wassergläsern an, der Taxifahrer öffnete endlich mit einem begeisterten Zischen die Coladose, die schon seit einer Stunde auf dem Steinmäuerchen neben ihm auf ihren Einsatz wartete. Das Leben war zurück. Auch wir konnten endlich essen gehen. Tische und Stühle der Cafés standen schon erwartungsvoll in den Gassen bereit. Denn nach dem Fastenbrechen ist vor der Party. Die Straßen und Gassen füllten sich mit Jungen und Alten, Teenagern, Gruppen von Mittzwanzigern, Familien, alles drängte sich in den Gassen der Medina um süßen Tee und noch süßeren Kuchen zu genießen. Die Stimmung so aufgedreht fröhlich wie beim Stadtfest im Illertissen.

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