Begegnungen und Bemerknisse

oder: das Leben des Brian. Das Wetter in Hamburg ist …. tunesisch. Ich kenne Tunesien bisher nur in einer einzigen Jahreszeit, im frühlingshaften März. Das ist wahrscheinlich die eine Zeit im Jahr, wo das Wetter in Tunis und in Hamburg ziemlich ähnlich ausfällt.

Zumindest nehme ich das an, im Reiseführer stand was von heißem Sommer (bis zu 50 Grad) und eher mildem Winter, alles mit wenig (im Winter) bis gar keinem Regen (Sommer). Tunesien ist nicht ganz zufällig in meinem Kopf. Im März haben wir den Ribbat in Monastir besichtigt, der dort wachsam über dem Mittelmeer thront. Im Reiseführer stand, dieser Ribbat sei ein Drehort des Monty Python Klassikers „Das Leben des Brian“ gewesen. Das konnten wir uns beim Treppen-hoch-und-runter-Klettern gut vorstellen. Man kann dort alles allzu Moderne sehr gut beiseite räumen, vielleicht bis auf, so überlegten wir, die Geländer. Aber erstens, überlegten wir weiter (Das ist das Schöne am Urlaub, man hat Zeit so herum zu überlegen, die Gedanken mäandern ungebremst in der Gegend herum.), gab es diese Geländer in den Siebzigern bestimmt noch gar nicht und selbst wenn doch, sind sie relativ einfach abzumontieren. Also leicht in den Maßstäben einer Drehort-Vorbereitung gedacht. Jedenfalls war uns die Übereinkunft von Dreh- und Urlaubsort Anlass einen Filmabend zu machen. Die beste Reisepartnerin von allen wollte tunesischen Wein besorgen. (Den hatten sie uns im Land angesichts des Ramadans nur unter dem Ladentisch quasi heimlich verkauft.) Und wir hatten uns fest vorgenommen bei jeder passenden Gelegenheit „Guck mal, da waren wir!“ auszurufen, erfreut natürlich. Die Planungen gerieten etwas ins Stocken, als sich herausstellte, das international über die bekannten Online-Läden gar kein tunesischer Wein verkauft wird. Macht nichts, nehmen wir halt georgischen, da waren wir schließlich auch schon mal (nicht zusammen, aber immerhin) und der ist eh besser. Es wurde ein herrlicher Abend, wir aßen zunächst Shakshuka am Tisch wie so erwachsene Leute. Im Wohnzimmer Fernsehzimmer war es mangels Vorhängen und Sommer vor der Tür noch zu hell. Der Film war viel besser, als ich ihn in Erinnerung hatte. Oder ich habe jetzt genau das richtige Alter für den Film, das kann auch sein. Mit Anfang 20 fand ich die Optik ziemlich altmodisch (Auf die falsche Art altmodisch, nicht 30er Jahre schwarz-weiß wie Casablanca sondern eben verblasstes Orange aus den 70ern.), den Scherz mit der Rechtschreibung im Lateinischen aber ziemlich witzig, rund zehn Jahre später fand ich ihn recht unwitzig, warum habe ich vergessen. Und jetzt konnte ich mich über die Kapitalismuskritik und all die popkulturellen Anspielungen ziemlich freuen.

Auch in Monastir, direkt am Mittelmeer, keinen Steinwurf vom Ribbat entfernt, befindet sich ein Friedhof. Weiße Grabsteine ruhen friedlich in der Sonne. Die Reisepartnerin und ich fachsimpelten gerade über Grab-Gewohnheiten. Sie hatte irgendwo gelesen, das auf muslimischen Friedhöfen eine Grabstelle für die Ewigkeit sei, also wirklich für die Ewigkeit, das Grab nicht irgendwann für frischere Tote frei gegeben würde wie auf deutschen Friedhöfen. Ich erinnerte mich gerade, dass mich diese Praxis nachhaltig irritierte hatte, als mein Opa die Grabstelle seiner Eltern neu anmietete, um meine Oma und kurz darauf meine Patentante dort zu beerdigen. Ich weiß noch, wie ich darüber nachgrübelte, was das für das Grab meines Papas bedeutete und dass das irgendwie nicht ging, dass es irgendwann einmal nicht mehr da sein sollte. Also wirklich nicht. Während die Reisepartnerin und ich so fachsimpelten sprach uns ein freundlicher älterer Herr auf französisch an. Er stamme aus Monastir, lebe aber schon lange in Frankreich, er habe eine Französin geheiratet, seine Kinder seien Franzosen, die Enkel auch. Er komme aus eine kleinen Stadt, obwohl so klein sei sie gar nicht, auch wennn sie fast niemand kenne. Roanne sei eine mittelgroße Stadt, sogar eine Universität habe seine Stadt, erzählte er etwas umständlich. Einen Moment war ich ein wenig stolz erzählen zu können, dass ich Roanne sehr wohl kenne. Meine französische Patentante ist in der Nähe aufgewachsen, als Kind und junge Erwachsene war ich häufiger dort. Früher sei er auch oft mit seinen Kindern her gekommen, die seien inzwischen aber erwachsen und hätten eigene Dinge zu tun, auch seine Frau komme nicht jedes Mal mit. Während der Corona-Pandemie seien zwei seiner Brüder verstorben, dort drüben seien ihre Gräber. Hin und wieder komme er sie besuchen. Und, nein, auch hier würden Grabstellen nach einer gewissen Zeit neu vergeben, nach dreißig Jahren sei in der Erde praktisch nichts mehr. Dann könne jemand Anderes dort begraben werden. Der Zufall wollte es, dass gerade eine recht große Beerdigung stattfand, lauter Männer folgten dem Sarg und dem Geistlichen. Wo denn die Frauen seien?, wollten wir wissen, vielleicht hätte der Tote Schwestern, Cousinen, Töchter, eine Ehefrau gehabt, bestimmt betrauerten ihn auch ein paar Frauen. Die kämen später, dort drüben, zeigte der Herr, bilde sich gerade eine Schlange, die Menschen stünden an, um zu kondolieren.Es mag seltsam klingen, aber es fühlte sich sehr vertraut an, in der Fremde mit jemandem zu plaudern wie mit einem Bekannte, den man zufällig in der Stadt trifft. Auch wenn es auf einem Friedhof war, aber auch dort trifft man ja gelegentlich Bekannte.

Manche Dinge im Leben sind schlecht (zu viel Arbeit)
Sie können dich wirklich wütend machen (noch mehr Arbeit, vor allem langweilige Fleißarbeit)
Andere Dinge lassen dich nur fluchen und fluchen (die verlorene EC-Karte heute Morgen)
Wenn du auf den Knorpeln des Lebens herumkauerst (bisschen unfreundliche Kollegen)
Nörgle nicht, pfeif einfach
Und das wird helfen, dass sich alles zum Besten wendet
And
Always look on the bright side of life
Always look on the light side of life

Genau, genau so mache ich das, wie Eric Idle, der Monty Python, der den Text des Songs schrieb, vorschlägt. By the way: Idle, was für ein schöner Name für einen Künstler. Man sollte sich öfter dem Müßiggang widmen, gedankenverloren im Café sitzen zum Beispiel. Wegen Arbeit und Leben klappt das nur so mäßig gut. Immerhin sitze ich im Café, schreibend zwar, aber es fühlt sich dennoch weniger nach Arbeit an als am Schreibtisch. Außerdem komme ich von der Klavierstunde und die hat geschafft, was alle Entspannuungsanstrengungen zuvor nicht hinbekommen haben, meine Kopfschmerzen sind verschwunden. Ist das nicht schön?

Neuerdings besitze ich außerdem einen Wein namens Mathilde. Eine Freundin fühlte sich durch mein kleines Online-Journal hier angeregt und schickte ihn postwendend. Jetzt muss darf ich noch die richtige Gelegenheit dafür finden. Ich werde berichten.*
Also: Haben Sie es schön. Ich bemühe mich ebenfalls.

  • *Überhaupt werde ich wieder mehr berichten. Die Dinge, die Mathilde mag, fehlen mir doch ein klein wenig. Ihnen auch, hoffe ich.
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