Tür zu!

Und nu gilt wieder: Zurück auf Anfang. Tür zu! Corona sperrt uns wieder ein. Ich finde das durchaus alles richtig. Ich will keine überfüllten Kliniken erleben, keine Triage und keine anschwellenden Todesopferzahlen. Also wieder Alltag ohne Schwimmbad, Ruderclub, Besuche bei Freunden. Dafür habe ich zwischenzeitlich ein paar Testerfahrungen gesammelt, ich weiß jetzt, wie ich erstaunt glupssrzhh mache, während ich noch erstaunter die Augen aufreiße, wenn die beherzte Dame im Testzentrum das Wattestäbchen in meinen Rachen stopft. Insgesamt geht so ein Covid Test aber doch recht schnell vorbei, also zumindest das Probe-Nehmen, danach muss man dann noch so einen Tag vor sich hin warten und immer mal wieder in der App, oder auf den Seiten des Gesundheitsamts prüfen, ob sich was getan hat und endlich ein Ergebnis da ist. Auf der Seite des Gesundheitsamtes kann man zur Überbrückung der Warterei sehr gut alle paar Minuten nachgucken. Für Sie getestet.
So gesehen eigentlich eine gute Vorübung für den Nervenkrieg auf der anderen Seite des Atlantiks.

Über die Wahlen in den USA kann ich mich aufregen, als ginge es unmittelbar um mein eigenes Schicksal. Vor vier Jahren hat mich das unerwartete Ergebnis politisiert, wie sonst wenig. Das mag daran liegen, dass vorgelebte, aktuelle Politik sich unmittelbarer anfühlt, als alte Politik, die wir sorgsam in der Geschichte abgelegt haben. Ich habe das früher im Geschichts-Studium zum Beispiel nicht gut verstanden, wie es möglich war, dass die Deutschen Adolf Hitler sehenden Auges gewählt haben. Längst nicht alle, klar, nur eine Minderheit, aber doch genug um ihn in einer Koalition an die Macht zu bringen. Und was dann daraus wurde, wissen wir ja. Unterdrückung, Ausgrenzung, Mord und Totschlag in millionenfacher Ausführung. INteressanterweise wussten die Menschneh damals es auch schon im vorhinein. Er hatte es ja vielfach gesagt und geschrieben. Und trotzdem haben viele ihn unterstützt. Und warum haben ihn in den Folgejahren bloß so viele Menschen weiter in seinem mörderischen Tun unterstützt? Viele Menschen, die doch wahrscheinlich in ihrem Privatleben ganz anständig waren, nett zu ihren Ehefrauen und Männern, verantwortungsvoll und lieb zu ihren Kindern.
Zeitsprung zurück zum Jetzt: Seit die Republikaner mithilfe dieses Autokraten ihre dritte konservative Richterin an den Supreme Court bekommen haben, verstehe ich das ein bisschen besser. Ich hörte im Podcast der New York Times einer Abtreibungsgegnerin zu, der nahezu alles egal war: Dass die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner für das Recht auf die Abtreibung sind – egal. Dass die Republikaner vier Jahre zuvor eine Besetzung des offenen Richterpostens im Wahljahr durch die Demokraten verhindert hatten – egal. Dass sie versprochen hatten im Gegenzug so etwas auch nie, niemals zu tun – egal. Die eigene Gruppe, im Falle der ultrakonservativen Richterin die Gruppe der konservativen Katholiken und Evangelikalen hat kurzfristig soviel mehr zu gewinnen. Das vergisst es sich wohl leicht, dass man im schlimmsten Fall der Diktatur den Weg bereitet.
Auf der virtuellen Landkarte vieler US-amerikanischer Medien blitzt es vermehrt in demokratischem Blau auf. Vielleicht geht doch wieder eine Tür auf.

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