Manchmal an so verdaddelten Wochenendtagen rutsche ich von einer Website zur nächsten, lese hier einen Artikel dort einen Beitrag. Neulich zum Beispiel da habe ich ganz seriös mit einer Reportage in der Süddeutschen Zeitung angefangen. Es ging um eine junge Frau, Lea-Sophie Cramer, und ihr Start-up: Amorelie. Der Name klingt irgendwie wie eine Krankheit, wie Zölliakie vielleicht oder Diphterie. Die Frau dazu sah jung, hübsch und lustig aus. Frau Cramer jedenfalls trug einen blauen Blazer, ein offenes Gesicht und eine alberne Krone, die ihr über die Augen gerutscht war. Oder, auf dem nächsten Bild: ein rosa Etwas am Stiel, das ein bisschen wie ein Sahneeis aussieht. Der Knaller aber
ist ein roter Apfel, den sie lässig in der Hand hält. Der Apfel ist, wie ich dann las, ein Vibrator und dass ihr junges Unternehmen Geld damit verdiene diesen und anderes Spielzeug zu verkaufen wie Zalando Schuhe verkaufe. Man könne die Angebote der Website genauso verbraucherkritisch betrachten und vergleichen wie die Mode von Zalando oder stylische Computer von Apple. „Sieht der Vibrator in rosa besser aus als das Modell in lila? Oder doch lieber das dunkelblaue Dings mit der Fernbedienung?“ Genauso wolle sie das, sagte Lea-Sophie der fragenden Journalistin, der Sex habe in der Schmuddelecke nix zu suchen, er sei im Mainstream angekommen. Was soll ich sagen, hat geklappt. Erstaunlich lange habe ich die Amorelie Produkte angeschaut, mich amüsiert, dass es einen Vibrator gibt, den man, Quatsch: Frau natürlich, als Wecker einstellen kann, mir überlegt, soo morgens aufzuwachen … und fand’s dann doch ein bisschen abwegig.
Naja, irgendwann habe ich mich anderen Themen zugewandt, ein bisschen in meinen Lieblingsblogs gestöbert. Ernsthaft Zeitung gelesen: Politik, Wirtschaft, Hochkultur und so. Als meine Aufmerksamkeitsspanne sich verkürzte, habe ich angefangen Produkte zu surfen. Ich gucke dann nach dem perfekten Fahrrad, nach der besten dunkelblauen Tasche oder dem perfekten Teil. Eigentlich mache ich dann nicht mehr viel Anderes als Bilder klicken. Und darüber nachzudenken, welches Detail ein Gegenstand unbedingt braucht um zu funktionieren und was weg kann. Mehr weg als da, finde ich fast immer besser. Irgendwann, da hatte ich wohl schon ein wenig Nackenschmerzen vom Bildschirm-Starren bekommen, bin ich dann hier gelandet. Ich habe es vorher nicht gewusst, aber genauso muss eine Wärmflasche aussehen, dachte ich. So eine müsste ich jetzt auf meinem Nacken legen.
Seitdem frage ich mich: Beschreibt das mein Leben? Ich meine die Frage Wärmeflasche oder Vibrator. Vielleicht sollte ich sonntags in Zukunft weniger lesen.