Ich bleib im Bett

Mathilde mag die Frau im Bett sein

Manchmal bin ich die Frau im Bett

Ich möchte zu meinen Gunsten annehmen, dass jeder solche Tage hat. Ich jedenfalls habe Tage, da mag ich nicht aufstehen. Alles, was darüber hinaus geht, schnell einen Kaffee zu kochen und mit der dampfenden Tasse auf dem Nachttisch wieder zwischen den Kissen zu verschwinden, erscheint mir dann als Zumutung. An solchen Tagen brauche ich die Welt da draußen einfach nicht. Zumindest nicht ungefiltert. Gerne darf das Pad mit ins Bett um die aktuellen Blogs und die Zeitung zu lesen, ein Roman ist auch erlaubt, vielleicht das Telefon. Obwohl selbst das ist mir manchmal schon zuviel Welt. So nach ein, zwei Stunden kippt das. Dann fühlt es sich nicht mehr nach extra langen Ferien sondern nach Kranksein an, dann stehe ich meist ganz schnell auf und treffe Freunde zum Kaffeetrinken oder so. Wer will schon den ganzen Tag ein Schlumpf sein.

Sue Townsend hat den Gedanken weiter gedacht. Ihr Heldin Eva steht eines Morgens nicht auf. Während ihr Mann Brian die 17-jährigen Kinder der beiden ins College fährt, bleibt sie einfach liegen. 17 Jahre lang hat Eva sich um die Kinder, das tägliche Abendbrot, um gebügelte Hemden und unfallfreie Weihnachten mit beiden Schwiegermüttern gekümmert. Und jetzt ist Schluss damit. Ehemann Brian, der zwischen seinem Job als Astronom und einer etwas abgenutzten Affäre hin und her hetzt, ist fassungslos. Wer soll denn jetzt bitte schön kochen, wer räumt auf und wer kümmert sich um seine Mutter? Eva nicht, die bleibt im Bett. Sie muss verrückt geworden sein, ein Nervenzusammenbruch oder etwas ähnliches. Aber die Nachricht von Evas kategorischem Rückzug verbreitet sich. Eva wird eine regionale Bekanntheit, sie bekommt Fans, etliche kampieren vor ihrer Haustür. Auch im Inneren des Hauses stellt Evas vollkommene Verweigerung sich den Zumutungen des Alltags zu stellen das Beziehungsgefüge der Bewohner auf den Kopf. Evas Kinder stellen überrascht fest, das Zimmer sich nicht von alleine vom Staub befreien, ihr Gatte muss erkennen, dass ein mehrgängiges Menü eine gewisse Herausforderung darstellt und eine Affäre ohne den Hintergrund einer Ehe irgendwie etwas anderes ist.

In der Mitte von Sue Townsends Roman „The Woman Who Went to Bed for a Year“ habe ich mich gefreut, das von den 436 Seiten noch so viele übrig sind. Zu konsequent ist der Gedanke, was passiert, wenn einer nicht mehr mitmacht, zu Ende gedacht. Zu fantasievoll all die Details und Verästelungen des englischen Middle Class Lebens, das Townsend für mich entwirft. Aber irgendwann kurz vor Schluss ist es mir zu viel geworden. Irgendwann wollte ich, dass die Heldin jetzt endlich mal was unternimmt. „You’ve made your point!“ Sie hatte klar gemacht, um was es geht. Ab dann wurde alles mit jeder neuen Seite abstruser. Und vor allem, ich habe Eva nicht mehr verstanden, ich konnte immer weniger mitfühlen. Sie wurde mir wie den Bewohnern ihres Hauses zunehmend lästig. Seit ich mit der Geschichte fertig bin, überlege ich, wie ich das Ende neu schreiben würde. Das ist nicht unbedingt das Schlechteste, was man über ein gutes Buch sagen kann. Beschäftigen tun uns nur die, die uns bewegen.

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