Hautmalereien

Mathilde mag das Holzkreuz aus Lalibela

Tattoos gibt es nicht erst, seit jeder zweite Friseur Anker, Sternchen, chinesische Zeichen oder verschnörkelte Sinnsprüche auf der Haut zu Markte trägt. Ich vergesse das manchmal. Nein, es gibt Kulturen, da sollen die unter die Haut getriebenen Zeichen mehr bewirken als den Träger unverwechselbar machen. Sie sollen vor dem bösen Blick schützen, den Glauben bekräftigen oder Zugehörigkeit zeigen.

Ich finde das befremdlich. Total. Aber irgendwie auch berührend. In Äthiopien sind mir viele Christen begegnet. Und es schien so, als wären die nicht so „Ja, ein bisschen-“Gläubige“, wie wir das in Europa oft sind: Leute, die Weihnachten in die Kirche gehen, weil das so schön zum Fest passt und die gerne in weiß in einer Kirche heiraten wollen. Die deshalb aber noch lange nicht jeden Sonntag mit so etwas Lästigem wie einem Kirchgang sprengen wollen.

In Äthiopien scheinen viele Menschen ganz inbrünstig zu glauben. Anders kann ich mir zum Beispiel die vielen Pilger nicht erklären, die uns beim Wandern begegnet sind. Wir haben eine Tour durch die Berge der Wollo Region gemacht. Zentrum der Region ist die kleine Stadt Lalibela mit ihren vielen Kirchen, die vor über 400 Jahren aus dem Berg gemeißelt wurden. Beeindruckend schön. Fanden wir. Fanden alle anderen auch. Es war die Woche vor dem Weihnachtsfest der äthiopisch-orthodoxen Kirche, als wir in den Bergen bei Lalibela wandern waren. So mit Wanderstiefeln, dicker Jacke, genügend Wasserflaschen im Rucksack, wie man das als vernünftiger Westeuropäer eben so macht. Jetzt waren wir nicht allein unterwegs. Nein, es war proppenvoll. In den Dörfern leben eine Menge Menschen. Und die arbeiten alle in der Landwirtschaft. Es war so überfüllt, wie in Hamburger auf der Mönckebergstraße oder in Köln in der Schildergasse. Wenn man Landwirtschaft komplett von Hand betreibt, so wie es die Menschen hier bis ins 19. Jahrhundert zumeist auch gemacht haben, dann braucht man verdammt viele Hände. Kleine Kinder, die schon alleine laufen können, beaufsichtigen die Herden mit den Milchlämmern und Babyziegen, etwas größere Kinder kümmern sich um größere Tiere, 8-9-jährige Jungs schneiden mit der Sichel den Weizen, erwachsene Männer führen den Ochsen um das Getreide zu dreschen.

Vor allem war das ganze Gebirge voller Pilger. Immer wieder kamen uns weiß gewandete Menschen entgegen, oft barfuß, ohne großes Gepäck, die sich auf den Weg nach Lalibela gemacht hatten. Oft hatten die Frauen ein oder viele Kreuze ins Gesicht und auf den Hals tätowiert. Entweder ein einzelnes Kreuz in der Mitte der Stirn oder auf dem Kinn, manche junge Frauen hatten auch so eine Art Backenbart aus lauter kleinen Kreuzen auf der Kiefernpartie rechts und links vom Mund oder gleich einen richtigen Bart, der den Hals mit einbezog.

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Als wir nach drei Tagen wieder vom Berg runter geklettert sind, kam uns Lalibela schrecklich laut vor. Nicht mal, weil der Straßenverkehr so laut gewesen wäre, es gab keinen. Aber überall ertönte Musik, Menschen drängelten sich durch die Gassen und Straßen, Händler versuchten ihre Ware zu verkaufen, über Lautsprecher wurden Pilgern Anweisungen erteilt. Es war der Wahnsinn.

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