Auf den ersten Blick ist mir nicht aufgefallen, worum es in Alexa Karolinskis Film „Oma & Bella“ geht. Auf den ersten Blick sieht man nämlich einfach zwei alte Damen kochen. Kochen, backen und ihr Essen anpreisen. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. Auf den zweiten Blick habe ich entdeckt,
dass es ihre Art ist, sich zu erinnern. An ein Leben vor dem Krieg, von dem nichts geblieben ist, kein Foto, kein altes Möbel, nichts. Nur die beiden jüdischen Damen können sich selbst Zeitzeuge sein. Wenn ich ihnen zuhöre, wie sie Omas Enkelin, der Filmemacherin Alexa Karolinski vom Kochen und vom Essen erzählen, spüre ich das: „Ich bin so geblieben, wie ich war. Alles ist ein bisschen modern geworden. Man isst alles. I(ii)ch nicht. …. Alexa, komm her. Hast Du schon so was Schönes gesehen?“
Zu meinem Glück sind die Zeiten heute in Mitteleuropa anders. Ich kann mich an vieles auf viele Arten erinnern. Aber Kochen ist trotzdem eine wunderbare Möglichkeit mich in andere Zeiten und Orte zu beamen. Rindfleischbrühe und ich bin wieder fünf und sitze bei meiner Oma am Küchentisch. Rheinischer Sauerbraten befördern mich auf dem direktesten Weg in einen Sonntagmittag meiner Kindheit. Gratin Dauphinois, zack schon bin ich in der Bourgogne. Kokosmilch und Currypaste lassen mich an schwülheiße Tage in Thailand denken. Dicke selbstgemachte Hamburger versetzen mich nach New York, Poutine, wie die Kanadier Fritten mit Bratensaft-Sauce nenne, lassen mich an Toronto denken.
Wenn gerade keine Zeit zum Verreisen ist, kann ich immer noch kochen. Weihnachten aber muss die Reise in die Kindheit gehen: zu der Zeit als der Weihnachtsbaum voller Verheißung glitzerte. Genau da kochen wir uns hin.
P.S. Falls Sie noch ein wenig Zeit zwischen den Jahren totschlagen wollen. „Oma & Bella“ ist kein Weihnachtsfilm, überhaupt nicht. Aber er hat ganz viel von diesem „Nach-Hause-kommen-Gefühl“ zu verschenken, das zu dieser Jahreszeit gehört, wie die Gans und die Plätzchen.