Ich stecke zwischen zwei Geschichten. Im besten Fall lässt ein richtig gutes Buch einem eine ganze Welt im Kopf aufgehen. Wie der Autor das literarisch macht – da gibt es große Unterschiede. Manche Autoren stürzen mich als Leser kopfüber in eine fremde Szenerie, vielleicht die einer schwarzen Nacht, in der gerade ein fürchterliches Verbrechen stattgefunden hat.* Oder wir sitzen gemeinsam in einer sonnendurchtränkten Kirche, betrachten die farbenprächtigen Blumengebinde und warten auf eine Beerdigung.** Andere Erzähler ziehen mich in die Überlegungen des Protagonisten, so dass ich die neue Welt gleichsam aus seinem Kopf heraus erfahre. Mit ihm höre ich die Nachbarin ein Lied singen, spüre einen letzten Moment die Wärme der Bettdecke, bevor er aufstehen muss.*** Im Verlauf der Geschichte entfaltet sich diese Welt in immer neuen Details, ich wandere gedanklich durch fremde Räume, nehme fremde Gerüche wahr und gleite in die Beziehungen, Lieben und Verwerfungen der Figuren einer Geschichte. Und dann ist das Buch aus, vielleicht ist es ganz richtig so, eine letzte Verwicklung hat sich geklärt, weiter brauche ich den Protagonisten nicht zu folgen, vielleicht ist es mir zu plötzlich, ich wäre gerne noch ein bisschen länger geblieben. Egal, das Buch ist jedenfalls zu Ende, die letzte Seite ist gelesen, der letzte Satz. Und dann?
Dann weiß ich manchmal nix mit mir anzufangen. Es liegt nicht daran, dass es nicht genug andere tolle Bücher gäbe, die auf mich warten. Meist habe ich einen ganze Stapel ungelesener Romane auf dem Nachttisch bereit liegen. Ich nehme das oberste Buch, lese den ersten Satz … und habe irgendwie keine Lust. Eben war ich noch in der Welt der britischen Gentlemen-Clubs mit Darjeeling, Portwein und Seidensocken und nun soll ich mir auf einmal die kühle frische Luft eines skandinavischen Sommers um die Nase wehen lassen. Uuurgghh, es passt nicht. Es fühlt sich irgendwie ganz und gar uninteressant an sich mit nordischen Landschaften zu beschäftigen. Ich mache einen halbherzigen Versuch, lese ein paar Sätze, nur um das Buch dann gelangweilt wegzulegen und ein bisschen durchs Internet zu surfen. Manchmal muss man ein bisschen Langeweile wohl aushalten, bis wieder Platz für Neues ist.