Es gab eine Zeit, da waren Telefonier-Zeiten heilig. Um die kostbaren Minuten, na gut manchmal Stunden, wurde heiß gekämpft. Nach der Schule musste ich mit meiner besten Freundin dringend besprechen, was vormittags alles vorgefallen war. In epischer Breite konnten wir uns darüber austauschen, ob der X diese neue Jeans stand, was der Y gesagt hatte und wie dann die Z geguckt hatte
und ach überhaupt, dass S wirklich total süß sei. Alle paar Minuten unterbrochen von einer unserer Mütter, die darauf hinwiesen, dass unser Gespräch erstens ein Vermögen koste und zweitens wir die Leitung blockierten. Was, wenn gerade jetzt irgendwo da draußen ein Unglück geschehe? Niemand könne unsere Eltern dann erreichen.
Später waren es dann die Mitbewohner, die der Schnur des Telefonkabels folgten, mehr oder weniger höflich klopften und fragten, wie lange es wohl noch dauere. Dabei war gerade die neue Flamme am anderen Ende. In den WG-Zeiten hatten Telefonieren außerdem einen lästigen Nachgeschmack. Irgend jemand musste am Ende die endlosen Strich-Listen aller Mitbewohner zusammen zählen und ausrechnen, wer wieviel von der aktuellen Rechnung zu zahlen hatte. So gut wie nie kamen die zusammengezählten Einheiten und die Telefonrechnung auf einen Nenner, meist auch nach dem dritten Zählen nicht. Trotzdem war Telefonieren super.
Heute ist Telefonieren günstig wie nie, wir alle nehmen unser Telefon überall mit hin, wir könnten also alle dauernd telefonieren. … Und tun es nur noch selten. Meist schreibe ich eine SMS oder Whatsapp-Nachricht. Und nur, wenn es wirklich dringend ist, rufe ich tatsächlich jemanden an. Dabei ist es bequem wie nie, ich stöpsele die Kopfhörer ein, so dass ich beide Hände frei habe und dann kann ich einfach das weiter tun, was auch immer ich gerade mache. Trotzdem schreibe ich auch engen Freunden ganz oft eher eine Nachricht, wenn ich was von ihnen möchte. Irgendwie hat sich das Blatt gedreht, wenn heute das Telefon klingelt, schaue ich überrascht auf das Display und wenn dann auch noch die Nummer des Anrufers unterdrückt ist, bin ich endgültig misstrauisch. Soll der andere doch erst mal meiner Mailbox berichten, was er von mir will.
Dafür sind Textnachrichten eine eigene kleine Kunstform geworden. Ich überlege oft ganz genau, wie ich etwas so knapp und einleuchtend wie möglich ausdrücken kann. Welche Emoji passt, ob dieses Verb nicht besser ist als jenes. Twitter im Privaten. Man könnte Gedichte daraus machen.