Kennen Sie den Moment, wenn man aufwacht und ganz aufgeregt ist von der Aussicht auf die drölfzig Projekte, die einen an diesem wundervollen Tag erwarten? Eigentlich weiß ich von Anfang an, dass das unmöglich alles klappen kann an einem einzigen Tag. Aber dann denke ich immer, ach was, fange ich einfach mal vorne an. Allerdings nimmt schon die Frage, worauf ich am meisten Lust hätte, bemerkenswert viel Raum und Zeit ein. Priorisieren geht anders. Allein, alle Vorhaben sind toll. Und dann, in einer Art Übersprungshandlung mache ich erst mal etwas total Nebensächliches:
Ich fotografiere mein Badezimmer. Das kann ich gut für die Bebilderung von 12 von Zwölf brauchen, zugegeben. Aber an einem Tag, an dem ich an der neuen Website weiter bauen wollte, einen wichtigen und zwei weniger wichtige Kundentermine vorbereiten wollte, außerdem mindestens drei lange vor mir hergeschobene Anrufe (schwieriger Kunde, Zahnarztermin, Bruder, dem ich für seine Party absagen muss) tätigen will* und vier verschiedenen Termine schaffen muss, außerdem endlich, endlich diesen einen Text fertig schreiben will, also da als erstes in aller Ruhe über die richtige Beleuchtung des eigenen Badezimmers nachzudenken, ist, äh, semi-optimal.
Vielleicht sollte ich erst mal einen Kaffee trinken, bevor das Priorisieren mich schon am frühen Morgen völlig überfordert. So.
Danach wird alles eigentlich bloß schlimmer. Aus Versehen, wirklich, ich weiß kein bisschen, wie das passieren konnte, bin ich auf der Gala-Seite gelandet. Bunte Bilder ziehen mich magisch an. Und stoßen mich dann irgendwie sofort auch wieder ab. Weil sie, zumindest bei so Nichtigkeiten-Seiten wie Gala, Bunte und Co ziemlich sofort einen Zustand auslösen, den ich aktive Langeweile nenne. (Und das alles noch vor acht Uhr morgens.)
Auch gerne genommen in Mathildes Haushalt, alle drölfzig Projekte gleichzeitig anfangen: Also Nähmaschine aufbauen, weil ich schnell diese eine Stelle an meiner Lieblingsjeans reparieren will. Dann schnell den Rechner hochfahren, um schon mal in den Postorder zu gucken, fahrig ein paar unwichtige Mails wegschmeißen, ein paar andere in die jeweiligen Ordner einsortieren. Auf keinen Falle alle Mails im Postordner aufräumen. Nein, das wäre zu übersichtlich. Außerdem habe ich dazu keine Zeit. Ich will ja schließlich so viele tolle Dinge, vor allem die Website…, Vielleicht sollte ich erst einmal mit dem Anziehen anfangen?
Ab dem ersten Kundentermin wird es übersichtlicher, weil mich ab jetzt äußere Zwänge priorisieren.
Mittags teile ich meine Zeit zwischen einem oberschnellen Pausenbrötchen auf um dann ins Fitnessstudio zu flitzen. Ob es jetzt gesünder ist, erst Essen runter zu schlingen um dann Sport zu machen oder ob man lieber ganz in Ruhe einen Salat essen sollte, überlege ich übrigens noch.
Anschließend hetzte ich an den Schreibtisch, um dann zu drei weiteren Terminen zu flitzen. Neuerdings lerne ich auf langweiligen Autofahrten Gedichte auswendig. (Bilder folgen, wenn ich heute Abend Nacht wieder zu Hause bin) Immerhin der letzte Termin ist eine sehr nette Verabredung zum Weintrinken und Französische Krimis lesen.
Nachtrag: Vom Wein habe ich keine Bilder gemacht. (Ich war wohl zu beschäftigt ihn zu trinken.) Später zu Hause aber hatte ich das dringliche Gefühl ihn neutralisieren zu müssen. Deshalb ich mir einen Tee gemacht habe und dann noch einen.
Im Bett habe ich weiter Joachim Meyerhoffs Geschichten aus dem durch strukturierten Alltag seiner Großeltern gelesen, bei denen im übrigen Alkohol eine nicht unwesentliche Rolle spielte.
Und zum Einschlafen habe ich mir dann noch mal einen Tee gemacht. (Fragen Sie nicht, wie gut ich nach all dem Tee durchgeschlafen habe, das ist eine völlig andere Geschichte, die den Rahmen hier sprengen würde, aber sowas von.)