Das erste kleine Schloss mit den Namen zweier Liebender drauf habe ich in Riga gesehen. Damals ich fand es irgendwie süß und ein bisschen kitschig: Zwei Menschen hatten ein kleines Schloss gekauft, sie hatten ihre Namen eingravieren lassen und es dann gemeinsam an einem Brückengeländer verschlossen. Später hatten sie den Mini-Schlüssel in den Fluss geworfen und vielleicht ein Glas Champagner aus Plastik-Kelchen darauf getrunken. So’ne Geste sieht auch ein wenig nach rosa lackierten Fingernägeln und Luftballons in Herzchenform aus. Ich schrieb es der osteuropäischen Melancholie zu, wir waren schließlich in Riga, sah vor meinem inneren Auge eines dieser Pärchen: Sie balanciert auf Stilettos durch’s Leben, ihre top-gepflegten Haare umrahmen ein aufwändig geschminktes Gesicht umrahmen, während er seine Muskeln in einem Addidas Trainingsanzug spazieren führt. Aber er hatte ihr zuliebe den Wodka gegen den Champagner getauscht und sie hatten sich eine Ewigkeit geschworen, das ist gar nicht so wenig. Dann aber habe ich dieselben bunten Schlösser in Kopenhagen gesehen. Diesmal eben nicht von Jelena und Boris, sondern von Jette und Björn, ein paar Städtereise später entdeckte ich Catherine und Jean-Marc, dann Steven und Mike, Patricia und Liam. Spätestens ab dann sahen die Dinger mehr nach Müll aus. All diese Brücken, die unter der Last der angesammelten Romantik zusammen zu brechen drohten. Uurhgh.
Letztes Jahr habe ich Urlaub auf Bornholm gemacht. Die dänische Insel vor der schwedischen Küste nahm uns mit ihrem mildem Klima, den bunten Häusern und der entspannten Freundlichkeit ihrer Bewohner in die Arme. Am Strand hatten irgendwelche Leute kleine Türme aus Steinen gebaut, ziemlich viele Türme, die aus irgendwelchen Gründen nicht vom Wind umgeweht worden waren. Ich fand’s lustig und schrieb es den Dänen und dem skandinavischem Design zu, das immer irgendwie nach hellem Holz, fröhlichen Farben und durchdachten Formen aussieht. Warum nicht ausprobieren, wieviele runde Kiesel aufeinander gestapelt stehen bleiben?
Gerade komme ich aus Portugal zurück. Wir sind über Land gefahren, in der Region Beira liegen oder stehen riesige runde Steine in der Gegen herum. Manchmal so, dass ich wie einst Asterix Angst hatte, der Himmel die Steine könnten mir auf den Kopf fallen. Drumherum haben auch hier irgendwelche Leute kleine Steintürme aus Kieseln gestapelt. Und zack, finde ich die Türmchen nicht mehr halb so lustig und originell wie letztes Jahr noch.
Eigentlich ist es doch nett, dass Gestaltungsideen genauso um die Welt reisen wie Touristen und exotisches Obst. Die Idee ist ja auch noch in Portugal dieselbe, die sie schon in Dänemark war. Und wer weiß, vielleicht sind die Türmchen ja von den Portugiesen erfunden worden und die Dänen haben es nachgemacht? Aber irgendwie fühlt sie sich auf einmal schal und abgekupfert an. Hach, ich bin aber auch kompliziert.