An meinem Kleiderschrank hängt eine pink-bunte Postkarte, die mir mal eine Freundin geschickt hat. Ein Mädel ist drauf zu sehen, die mit nicht viel mehr als einem Slip bekleidet leicht überfordert vor einem prall gefüllten Kleiderschrank steht. Was soll ich bloß anziehen? Das ist genau die Frage, die mich jeden zweiten Morgen von neuem beschäftigt. Und genau genommen kenne ich fast keine Frau, die diese Frage nicht ab und an in den gepflegten Wahnsinn treibt. Es ist ja nicht so, dass sich nicht das eine oder andere Kleidungsstück in meinem Schrank befände. Aber sieht die graue Kapuzenjacke jetzt gut aus zur schwarzen Samtjeans oder sehe ich damit doch mehr nach grauer Büro-Maus aus? Und zu was soll ich bloß mein blau-weiß-gestreiftes Marineshirt anziehen, seit die Hose, die ich dazu gekauft hatte, zwischenzeitlich Opfer eines kleinen Fahrradunfalls geworden ist?
Solche Fragen können mich schon morgens unter der Dusche unglücklich machen.
Besonders, wenn man immer wieder Leute sieht, die scheinbar mühelos die seltsamsten Sachen zu spannenden neuen Outfits kombinieren. “Sex and the City” lässt grüßen.
Auch Frauenzeitschriften helfen da nicht unbedingt weiter. Zum Einen finde ich deren Mode manchmal ein bisschen lahm. Was aber das Hauptproblem ist, ich brauche mindestens jeden zweiten Tag eine Idee, was ich anziehen könnte. Nicht nur alle vierzehn Tage oder gar bloß einmal im Monat. Außerdem kann ich es mir beim besten Willen nicht leisten, jedes Mal auch gleich ein neues Kleidungsstück zu kaufen. Das gäben weder mein Geldbeutel noch das Platzangebot meines Kleiderschranks her. Ein paar neue Ideen, was ich mit den Sachen, die ich schon habe, machen kann, würden ab und an schon reichen.
Anders als früher auf dem Pausenhof kann ich heute in der wunderbar weiten Welt des Internets schon zuhause beim ersten Kaffee gucken, was die anderen so machen. Meine Kleider-Welt hat seitdem einen Kick bekommen. Ein paar Klicks und ich sehe beim Sartorialist, was die coolen Kids in New York tragen. Oder ich schaue , was Jessica Weiß aus Berlin bei Journelles gerade vorschlägt. Mein absoluter Liebling ist die Französin Garance Doré. Ihre lustigen selbstironischen Texte versichern mir, ich bin nicht allein mit dem unwichtigsten Problem der Welt: Was ziehe ich heute bloß an?
Alle drei zeigen Fotos, einfach nur Fotos von Leuten, die (natürlich!) angezogen sind. Aber es sind die, bei denen man sich schon mal auf der Straße umdreht, weil sie irgendwie gut aussehen. Auf den Fotos sehe ich einen Börsenmakler im schlichten grauen Anzug genauso wie eine Studentin, die einen selbstgenähten Rock mit einem einfachen schwarzen Rollkragenpulli kombiniert, Touristen, junge Mütter, Passanten – einfach irgendwelche Leute. Nur eben welche mit dem gewissen Etwas. Meist starte ich schon vor dem Duschen den Computer, um mir die neuesten Fotos anzusehen.
Seither sprudeln die Ideen fast so schnell wie das Wasser aus dem Duschkopf. Ich weiß sogar schon, was ich gleich aus meinem Kleiderschrank kramen werde: Heute wird’s wohl mein alter dunkelblauer Blazer werden, ein weißes Shirt und eine graublaue enge Jeans. Ha!