oder: La Ville Rose
Rosa Stadt nennen die Toulousains ihre Stadt. Und es stimmt: Die Ziegelsteine der adretten Bürgerhäuser leuchten von Hellrot über Zartrorange bis zu leuchtendem Rosa. So viel in die Luft geschaut wie hier habe ich lange nicht. Immer wieder gibt es ein neues Detail zu entdecken. Lavendelblaue Fensterläden, zierliche Verzierungen, auf der Fensterbank eine kuschelige kleine Katze , ach und guck, da oben dieser elegante Fensterbogen.
Zum Glück habe ich Marie in Toulouse getroffen. Sie hat mich mitgenommen in ihre Stadt, zu ihren Lieblingsorten, den besten Bars, grünen Oasen, schmalen Gassen, hübschen Hinterhöfen und natürlich der Garonne. Aber fangen wir von vorne an. Auf der Pont Saint Pierre über die Garonne. Marie und ich schauen von der Brücke in die träge dahin fließende Wellen der Garonne. Gegenüber, am anderen Garonne-Ufer erspähen wir La Dorade. „Auf den Treppenstufen habe ich meine ersten beiden Sommer in Toulouse verbracht“, erzählt Marie, die aus der Normandie in den Süden zum Studieren kam. Eine Flasche Rotwein, eine Packung Gauloise, warme Sommerabendluft, genau die richtigen Requisiten für viel Spaß und flüchtige Freunde, erzählt Marie. Die meisten dieser Freundschaften hätten zwar den Sommer nicht überdauert, aber schön sei es gewesen. Trotzdem! Nein, gerade deswegen. Einen Moment blinzeln wir in die Sonne.
So warm es im Oktober in Toulouse ist, jetzt im Herbst sind uns die Steinstufen doch ein wenig zu kühl. Gleich neben den Treppenstufen am Ufer der Garonne befindet sich Le Bar Basque. Wir machen es uns im Hinterhofgarten gemütlich.
Und Marie erzählt mir von einer Ausstellung in „Les Abattoirs“. Der ehemalige Schlachthof im gleichnamigen Viertel. Künstler von den Fünfziger Jahren bis heute haben sich mit der Frage der endlich werdenden Ressourcen unserer Erde auseinandergesetzt: Ausschnitte und Abbauprodukte. Spannend, aber fast noch besser, finde ich das gleichnamige Viertel rund um das Museum.
Aus roten Ziegelsteinen sind auch hier die liebevoll gestalteten Fassaden, aber die kleinen Handwerkshäuser wirken doch etwas bescheidener als im Stadtzentrum rund um das Rathaus, das sie hier stolz Kapitol nennen. Marie zeigt mir Le Bistrologue.
Aber die kleine Eck-Kneipe lernt mich nicht kennen – Ruhetag. Flanieren wir lieber weiter ein wenig durch die rosa Stadt. Quer durch das Stadtzentrum schlendern wir, vorbei an der Place du Capitole mit dem prächtigen Rathaus, dem eleganten Café de l’Operéra, hier soll einst Jean Jaurès verkehrt haben, französische Sozialisten hatten auch schon in früheren Tagen eindeutig mehr Stil. Schließlich kommen wir in „unserem“ Viertel an. Saint Michel rund um den Palais de Justice finden sich bezaubernde kleine Wohnstraßen, Hinterhöfe, heimelige Plätze mit dem obligatorischen Bistro du Coin. Eine letzte Flasche Bier an der Place Busca, ach Frankreich ist auch nicht mehr das, was es mal war, vergesst den Rotwein. Das Leben ist schön. Danke, Marie.