Vor dem Haus des Alltagsprinzen wird demnächst ein Stolperstein verlegt, so steht es auf dem Informationsblatt. Hat also auch in diesem gründerzeitlich großspurigem Gebäude ein Mensch gelebt, den die Naziherrschaft das Leben gekostet hat. Fräulein Read-in pflegt vorsichtig um die Steine herum zu treten, bald werde ich also vorsichtig über die Erinnerung ins Haus treten.
Am Wochenende stauten sich die Verabredungen und Termine.
Alles schön, bloß hat es auch dazu geführt, dass ich die Programmpunkte lesen, nachdenken und in-die-Luft-gucken ausfallen lassen musste. Wie machen das bloß immer all die anderen, die auf Insta und Co außerdem noch dankbar-sein in ihren Tagen unterbringen, neben Wohnung aufhübschen, dekorieren und fotografieren? Ich will das auch. Noch lieber wollte ich Samstagabend zum ersten Mal bowlen gehen. (Erste Male, so wichtig, bloß habe ich vergessen das Ereignis aus Instagarm zu posten.) Bowling fand ich erstaunlich kurzweilig, jedenfalls nachdem es mir gelungen war, die Geräuschkulisse (irgendwas zwischen Indoor-Spielplatz und Vorstadtdisko) auszublenden. Erkenntnisse? Die Kugeln ziehen ganz schön schwer am Handgelenk, manche Halte-Löcher sind für noch schmalere Finger als meine gemacht, das Gewicht der Kugel verlangt gleichzeitig aber ziemlich dicke Handgelenke. Die dazu passende Hand möchte ich gerne mal sehen. Den Dreh habe ich noch nicht perfekt raus, das Ereignis muss zum weiteren Ausbau der Lernkurve eine Fortsetzung finden. Sonntag Morgen war ich zu einem Brunch eingeladen, zusammen mit anderen Mentoren, die junge Menschen aus der ganzen halben Welt auf ihrem Bildungsweg begleiten. Lauter interessante Gespräche, die bald abbrechen musste.
Nachmittags waren wir reiten. Es hört sich aus der Zeit gefallen an, nach Nachmittagen im Reitstall und Teestunden im Jugendzimmer. Das Gefühl den Ledersattel an den Knien zu spüren, der warme staubige Stall-Geruch, die vielen Mädels, alles wie früher. Nur der Respekt der Pferde und der Reitlehrerin ist mit meiner Größe gewachsen. Ist das doch zu was gut, dieses Größerwerden. Vergessen hatte ich ein bisschen, dass die Angelegenheit auch ein wenig sportlich ist. Zeit mich darum zu kümmern, blieb nicht. Wir hatten uns mit unserer Zeitplanung gründlich vertan, die Reitstunde startete später als geplant, die Gäste kamen früher als gedacht. Abends hatten wir zur Feuerzangenbowle eingeladen, zum Gucken, Trinken und Essen. Das war auf eine Heinz-Rühmann-liche Art auch aus der Zeit gefallen.
Und jetzt tröpfelt die neue Woche grau und dunkel auf uns nieder. Das könnte ich betrüblich finden, gäbe es nicht am Wochenende die Aussicht auf das helle Licht über der Nordsee.