Besuche bei Dorothee in Köln habe ich geliebt. In der elegant gestalteten Wohnung meiner Patentante bekam ich zum ersten Mal ein Gefühl dafür, wie großartig interessant und inspirierend die Welt da draußen ist. Ihre vielen Bücher standen natürlich im Rahms-Regal, Kunst hing an den Wänden und davor standen zeitgenössische und antike Designer-Möbel nonchalant herum. Vor allem aber lagen immer aktuelle Zeitschriften auf dem Tulip Tisch, so dass ich es mir auf dem riesigen Samtsofa bequem machen und blättern konnte. Wo gibt es heute noch ästhetisch spannende Zeitschriften und Magazine mit unerwarteten Geschichten?
Vorher
In der guten alten Zeit*, als die Zeitschriften Welt noch groß, bunt und vielfältig war, waren Magazine für mich Fenster zur Welt. In der Vogue habe ich bewundert, wie elegant und trendy die Welt in Paris, Mailand und London ist. Architektur und Wohnen nahm mich mit in Pariser Stadtwohnungen, riesige Bungalows an der amerikanischen Ostküste oder entzückende kleine Landhäuschen irgendwo in Cornwall. Zeit und Frankfurter Allgemeine Zeitung interviewten Persönlichkeiten zu ihren Ideen und Einstellungen.
Dann
habe ich Sonntagnachmittage öfter in der Bahnhofsbuchhandlung verbracht. Stundenlang habe ich mich an den Regalen mit ausländischen Zeitschriften herum gedrückt, hier ein bisschen was angelesen, dort geblättert, immer ein klein wenig misstrauisch von den Bahnhofsbuchhandlungs-Mitarbeitern beäugt. Schließlich sollte ich bei ihnen kaufen und nix abnutzen. Nach langen, leisen Diskussionen mit mir selbst (und meinem studentischen Budget) habe ich mich dann meist schweren Herzens für ein wahnsinnig teures Magazin aus Großbritannien, den USA oder Frankreich entschieden, das in meiner WG wie ein Schatz gehütet und immer wieder durchblättert wurde.
Jetzt
habe ich den kleinen Pop Up Store von Sara Lisa Schäubli entdeckt, der genau diese Magie des bedruckten Wortes wieder aufleben lässt. Ich hatte schon fast befürchtet, damit sei es vorbei, seit das Internet übernommen hat: Seit überall und nirgendwo interessante Online-Magazine, Blogs und soziale Netzwerke entstehen, viele etablierten Zeitschriften im Gegenzug langweiliger und austauschbarer werden. Dass es auch andere Wege als den Kaputtspart-Modus der großen Verlage gibt, zeigen kleine, unabhängige Zeitschriften. Allerdings muss man die auch erst mal entdecken. Und hier kommt Sara Lisa ins Spiel.
Inspiration kommt in der Medienstadt Hamburg neuerdings nämlich aus einer unerwarteten Ecke. Aus Zürich hat die Schweizerin Sara Lisa ihren Traum vom inspirationellen Zeitschriften-Café mitgebracht. Ihr ABC Laden ist eine Art Wohnzimmer, in dem man einen leckeren Kaffee trinken und in liebevoll gemachten Magazinen blättern kann Vor allem ist ihr kleiner Laden in der Weidenallee 61 eine Art Entdeckerstation für kuratiertes Lesen. Die schmalen Pappregale vor der einzigen Backsteinwand des kleinen weißen Ladens öffnen mir neue Bilder und Gedankenwelten. Die Rubriken Wirtschaft, Mode, Pop, Text, Reisen sind bewusst einfach gehalten, die Magazine dafür um so vielfältiger. Vielfältiger jedenfalls als das übliche Großverlagseinerlei: Vom Weinmagazin Schluck über The Gentle Woman, der Zeitschrift für moderne „women of style and purpose“, das monothematische Gesallschaftsmagazin Juiced und The Outpost, das sich mit dem Wandel in der arabischen Welt beschäftig bis zum Travel Almanac öffnen sich lauter Fenster in unbekannte Welten. Tolltolltoll. Damit man nicht den Überblick verliert helfen einerseits die Rubriken im klar strukturierten Regal und Sara Lisa, die gerne, viel und trotzdem zurückhaltend von ihrer Leidenschaft für Papier und gedruckte Worte erzählt.
Wer möchte kann für 5 Euro eine Stunde lang in Ruhe durch alles blättern, was das Herz begehrt. Beim Kauf eines neuen (Lieblings–)Magazins werden die 5 Euro angerechnet.
Regelmäßige Veranstaltungen
Am 22. Oktober dreht sich alles um die Frage: Wie mache ich mein eigenes Magazin?
Die Magazinmacher des Cameo Kollektivs werden vom Entstehungsprozess ihres Magazins erzählen: von den ersten Ideen, Finanzierung und Vertrieb und – nicht zuletzt – ihren Erfahrungen aus redaktioneller und gestalterischer Arbeit.
Am 03. November liest Daniela Schröder, Autorin des „Reportagen“-Magazins mit Dirk Schneider, Sprecher des Deutschlandradios.
Im November soll es außerdem dienstags einen festen Strickabend geben.
ABC Laden im Oktober und November
Weidenallee 61
Hamburg Eimsbüttel
Geöffnet: Dienstag-Freitag von 11-19 Uhr, Samstags von 10-17 Uhr.