Eine Straße im Sonnenschein, ganz normal. So friedlich sehen Straßen eben aus, wenn die Sonne scheint und ein durchschnittlicher Nachmittag vor sich hin trödelt. Halt, schauen Sie noch mal hin, es ist Donnerstag, ein ganz normaler Wochentag und es ist die Schanze in Hamburg. Das hier ist eines der Szeneviertel in Deutschlands zweitgrößter Stadt. Hier stimmt was nicht. Es ist nicht zu sehen, es sind eher die Farben, die fehlen.
In Hamburg tagt der G20 Gipfel, eben hat die Anti-G20-Kundgebung „Welcome to Hell“ begonnen. In vorauseilendem Gehorsam sind viele Hamburger schon lange davor von ihren normalen Wegen abgewichen, schließen Ladenbesitzer ihre Geschäfte vorzeitig schon am Nachmittag. Sicherheitshalber, man weiß ja nicht so genau, ob und wer einen Stein schmeißt, ob und wann der dann eine Fensterscheibe oder einen zufällig herum stehenden Menschen trifft. Das Resultat: Straßen so leer wie die Autobahnen in den Siebzigern an den legendären autofreien Sonntagen, als die einige wenige Sonntage zum Spazierengehen einluden.
Prozessionen
Im Mittelalter, habe ich mal im Geschichtsstudium gelernt, waren katholische Prozessionen durch’s Viertel das ganz große Ding. Handwerker, Frauen, Tagelöhner, Gesindel, alle sahen zu oder liefen hinter dem Bischof und anderen kirchlichen Würdenträgern, dem Reliequienschrein, Fahnen und Zeptern hinterher. So eine Prozession markiert das Gelände. Das hier, diese Wege, diese Straßen gehören uns. Dagegen sind heutige St. Martins-Umzüge ein fader Abklatsch. An so einen mittelalterlichen Umzug musste ich denken, als die Polizeiwagenkolonne mit völlig sinnlosem Sirenengeheul (es war schlicht niemand da, der an den Rand hätte fahren können) übers Schulterblatt bretterte.
Daran musste ich denken, als sich lauter schwarz gekleidete Menschen zu Fuß und auch in Kolonnenformation ebenfalls auf den Weg in Richtung Fischmark machten.
Kulissenaufbau
Im 18. Jahrhundert gab es etliche Tourneetheatertruppen, die durchs Land zogen und immer dort, wo sie auf genügend Publikum hofften, ihre Bühne aus einfachen Brettern aufbauten, Requisiten und Kostüme auspackten um dann ihre wohlbekannten Stücke zu spielen und die beliebtesten Gassenhauer zu singen. Daran musste ich denken, als ich die Rote Flora heute Nachmittag sah. Genug Leute sind wohl gerade in der Stadt.