Januar klingt ein bisschen wie Janus, der alte Römer. Der Kopf mit den zwei Gesichtern kann beides gleichzeitig: nach vorne und zurück blicken. Was war? Was soll sein? Hamburg liegt grau, regennass und ereignislos herum, mir geht es nicht so richtig anders. Ich brenne die letzten Weihnachtskerzen ab und denke folgenfrei über das Neue Jahr nach. Manchmal ist zu viel Freiheit ein wenig hinderlich. Die Idee alles machen zu können, verführt dazu gar nichts zu tun. Deshalb suche ich mir einen Rahmen. Vielleicht so:
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.
Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege.
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Man steht am Fenster und wird langsam alt.
So hat es Emil Kästner vermutlich 1954 geschrieben, ein Jahr später veröffentlicht. Der zweite Weltkrieg war da noch keine zehn Jahre zu Ende, vielen deutschen Städten konnte man die Kriegswunden noch deutlich ansehen, den meisten Menschen (also denen, die überlebt hatten und heimgekehrt waren) von außen nicht mehr so sehr. Wobei? Gelegentlich schon. Kästner beendet sein Gedicht drei Strophen später so:
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und ist doch schon hunderttausend Jahre alt.
Es träumt vom Frieden. Oder träumt’s vom Kriege?
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und stirbt ein einem Jahr und das ist bald.
In seinen besseren Momenten konnte der Dichter Kästner Beobachtungen und Gedanken aus seiner eigenen Lebenszeit so formulieren, dass sie wenn nicht für jede, mindestens für viele Zeiten passen. (Herr Trump hat mit seinem Atomknopf geprahlt, haben Sie das gehört?) Was fange ich damit jetzt an? Ich überlege mir, was gut war, was nicht so und vor allem, was ich mit der Zeit tun möchte, bevor das Jahr Ende nächsten Dezember gestorben sein wird.
Den Rahmen hat Okka vorgeschlagen. Also
Siebzehn Fragen an 2017 … und ein paar Pläne für 2018
1) 2017 in drei Wörtern?
„Ein bisschen ereignislos.“, hätte ich beinah geschrieben. Und zwar deshalb: Bei mir war dieses Jahr so wie vermutlich viele Jahre bei vielen Leuten. Nicht umgezogen, keinen Apfelbaum gepflanzt, nicht neu verliebt – aber auch keine fiese Trennung durchgestanden, nicht mehr und nicht weniger gearbeitet, keine lebensverändernde Reise gemacht und keinen neuen Job angefangen (immerhin einen angeschoben). Beinah, dann ist mir eingefallen, dass mein Lieblingsneffe geboren worden ist. Und dass mein Bruder und ich ein spannendes berufliches Projekt begonnen haben. Es ist noch nicht ganz da, wo wir es haben möchten, aber das wird in diesem Jahr bestimmt.
2) Ein Tag aus dem letzte Jahr, der sich so wiederholen dürfte?
Vielleicht der Tag im Herbst an der Nordsee. Viel Wind um die Ohren, Salz in der Nase und dieses wunderbare Licht, das es nur gibt, wenn genug Horizont und ein bisschen Sonne da ist. Halt nein, die Geburt des Lieblingsneffen war natürlich auch toll. Wenngleich das nicht selbst erlebt ist.
3) Was hast Du an Dir entdeckt?
Dass ich mich traue, neue Sachen anzufangen. Eigentlich wusste ich das schon, aber manchmal vergisst man es im Gleichundgleich aller Tage ein bisschen.
4) Was hättest Du rückblickend gerne anders gemacht?
M e h r Tempo. In vielem, nicht immer und bei allem. Aber ein bisschen weniger Zeit verdaddelt. Ein bisschen tatkräftiger Dinge angepackt. (Dann müsste ich mir jetzt nicht teilweise dieselben Sachen vornehmen wie schon vor einem Jahr. Man kommt halt zu nix, das aber gründlich, wie Herr B. immer schreibt.)
5) Ein Ort, der Dich glücklich macht?
Die Provinz, aus der ich komme. Darf ich noch einen zweiten Ort nennen? (So ein Rahmen soll einen schließlich nicht behindern.) Ein Strand an einem Meer irgendwo im Norden, die Nordsee im Herbst zum Beispiel.
6) Ein Geruch?
Ein bestimmtes Parfum, das mich an einen besonderen Menschen erinnert.
7) Ein Gefühl?
Die freudige Aufgeregtheit, die sich manchmal morgens einstellt, wenn ich nicht genau weiß, mit welchem Projekt ich an diesem wundervollen Tag anfange möchte.
8) Ein Gegenstand?
Mein Schreibtisch. Wirklich, wirklich, er steht in meinem Wohn-/ Arbeitszimmer. Ich habe von da aus einen wunderbaren Blick auf meine Bücherwand und aus dem Fenster. Ich kann Musik anmachen, wenn das beim Schreiben hilft und sie auch wieder ausmachen, wenn ich Ruhe brauche. Ich kann rausgucken, Kerzen anzünden, wenn es draußen zu grau ist (so wie jetzt gerade). Ich kann so schnell oder so langsam über die Tasten flitzen, wie es gerade zu meinen Gedanken passt. Vor allem: Er steht nicht in einem Gemeinschaftsbüro, wo mir jederzeit jemand in meine Gedanken quatschen kann. (Natürlich auch: Leider habe ich keine Kollegen, die automatisch da sind, fast immer muss ich mich zum Da-Sein verabreden. Das ist ein bisschen schade.)
9) Ein Mensch, dem Du Dich besonders nahe gefühlt hast?
Sag ich nicht. Aus zwei Gründen, weil es sich so schrecklich privat anfühlt, dass ich mich nicht so recht traue, es in dieses Internet reinzuschreiben. Und, und auch das stimmt, sogar gleichzeitig, den einen Menschen gibt es nicht. Es sind mehrere Menschen, denen ich mich ganz nah fühle.
10) Was hat Dir dieses Jahr Kraft gegeben?
Freunde, Familie, Pläne, Frühlingsluft, Rudern, Yoga, Schwimmen, Klavier spielen, lesen, schlafen, grandiose Fernsehserien. Nicht die eine Sache, viele verschiedene. Je nachdem.
11) Was hat Dich dieses Jahr Kraft gekostet?
Menschen, die nicht mitziehen, immer Gründe finden, warum es gerade nicht geht, keine Zeit da ist, oder diese Erkältung im Anflug. Manchmal ist es besser selbständig weiter zu machen. Das habe ich im Mai in einem Fall so entschieden. Und diese Entscheidung macht mich immer noch froh.
12) Auf welcher Frage hast Du dieses Jahr herumgedacht?
Wie wir unser berufliches Projekt zum Fliegen bekommen können.
13) Was hast Du dieses Jahr gelernt?
Wenn ich das schon wüsste. Dann wüsste ich vielleicht sogar schon, wie ich 2018 anfangen will.
14) Wem bist Du dankbar?
Einer einzigen Person? Das schaffe ich nicht. Aber so könnte ich anfangen: Meinem Bruder, meinem guten Freund H., der M., meinem anderen Bruder, meiner Mama, meiner Schwägerin.
15) Wenn Du es Dir aussuchen könntest: Soll 2018 mehr Konstanz oder Veränderung bringen?
Mehr Veränderung. Ganz klar. (Natürlich sollen ein paar Sachen auch bleiben – meine Lieben und meine Lieblingsorte zum Beispiel.) Nicht weil alles vorher schlecht war. Das war es überhaupt nicht. Aber jetzt war ich halt schon da und kann mal an neue Orte gehen, neue Sachen machen, neue Menschen kennen lernen, neue Gefühle, neue Farben.
16) Wie geht’s Deinem Mut?
Wieder besser, das wird schon.
17) Ein Wunsch fürs nächste Jahr?
Einer? Mir fallen schon wieder viele ein. Das Projekt mit meinem Bruder soll fliegen. Wieder mehr vereisen, mehr Liebe, mehr Erste-Male.
Und Sie so?