Irgendwie ist der Tag verrutscht. Es fing mit dem Auto an, das gestern auf dem falschen Parkplatz übrig geblieben war, nicht richtig weit weg, aber doch so weit, dass es schrecklich lästig gewesen wäre, alle Taschen und Tüten dahin zu schleppen. Eine rutscht
dann immer von der sorgfältig ausgesuchten Stelle auf der Schulter ganz nah am Hals, wo sie das Gleichgewicht mit dem Beutel auf der anderen Seite halten sollte, die Yogatasche muss am angewinkelten Unterarm getragen werden wegen der etwas zu langen Henkel. Meist rutscht das Mobilee schon nach wenigen Schritten. Das macht ja alles keinen Spaß. Also erst das Auto holen, ziemlich unlegal am Kreuzungsrand parken um dann alles zusammen zu suchen und dann – ein bisschen später als gedacht (aber das ist ja immer so), um dann also endlich in den Arbeitstag zu fahren. Vielleicht habe ich mir da schon die Schulter verspannt. Egal, keine Zeit.
Nur zurück gefahren bin ich dann auch wieder später als geplant und da hatte ich so Kopfschmerzen, dass der Weg an den heimatlichen Schreibtisch ganz und gar unmöglich schien. Lieber Ablenkungsmanöver mit einer dicken, heißen Wärmflasche gegen die Verspannungen und was auf die Augen, damit dieses Pochen aufhört. Irgendwann drückte die Zeit, ich wollte ein Paket abholen und das musste vor halb sieben passieren. Den gleichen Mantel hatte ich neulich schon einmal bestellt, wegen des Schlussverkaufs aber eher in etwas zu groß, die Größe, von der ich dachte, sie könnte es sein, war schon ausverkauft. Eher war wirklich zu groß und nun gab es zufällig noch mal eher etwas zu klein, also habe ich den Mantel versuchsweise in eher etwas zu klein bestellt. Etwas, das ich auch sofort hätte tun können, da aber noch zu dekadent, umweltverpestend und überhaupt gefunden hatte. Einen enttäuschten Blick auf die zu üppig bestoffte Rückenpartie später habe ich meine Umweltbelastungsbedenken schnell hinter mir gelassen. Jedenfalls musste ich das Paket nun im DHL Shop abholen und wo ich schon mal ins kleine Viertelzentrum gelatscht war, konnte ich auch gleich noch im Supermarkt gegenüber ein bisschen frisches Abendbrot einkaufen. Dachte ich so und hörte nebenbei den ganz wunderbaren Podcast von Anja Görtz Die Schreibenden. Während mir Isabel Bogdan auf Nachfragen von Anja Görtz erzählte, wie literarisches Schreiben bei ihr funktioniert, packte ich nachlässig ein paar Lebensmittel in den Einkaufswagen. An der Kasse musste ich umständlich erst das große Mantelpaket, dann die Lebensmittel, dann meine normale Tasche, dann das Handy mit dem Podcast, also irgendwie alles umsortieren um dann durch den beständig laufenden Nieselregen nach Hause zu traben. Beim Briefkasten habe ich fest gestellt, dass ich ich doch nicht so gut im Multitasken bin: Das Mantelpaket war irgendwie nicht mitgekommen. Vor lauter Bücher-Anekdoten auf dem Ohr war mir gar nicht aufgefallen, dass mein Kisten-Taschen-Aufbau erstaunlich einfach zu transportieren gewesen war.
Hui, bin ich zurück gesaust. So ein schöner teurer Mantel und gleich nach dem Abholen weg? In Gedanken bat ich das Schicksal nachsichtig mit mir und meiner Zerstreutheit zu sein. In den Gedankenpausen redete ich mir den Verlust des Mantels schön, hach, es war ein Hin- und Her. Im trüben Neonlicht des Supermarktes wurde die junge Kassiererin zu meiner Glücksfee. Ja, das dicke Paket lag in ihre winzigen Kassenkombüse und nach einer kurzen Überprüfung des Namens auf der Adresse durfte ich es mit nach Hause nehmen. Was fand ich die Welt auf einmal schön. Und der eher zu kleine Mantel passt auch. Vielleicht bin ich schon in dem Alter, wo ich wieder schrumpfe? Egal, Glück kann ich.