Kaffeebecher, Innenstadt und Internet.
Es hängt alles zusammen. Vielleicht sollte ich vorne anfangen. Ich komme aus einer Kleinstadt, mitten in Deutschland. Jahrzahntelang duckte sich die kleine Stadt eng an einen dreiteiligen Zaun, der einmal Deutschland durchschnitt.
Elegantes Publikum kam eher nicht in die schmalen Gassen um die großen Schaufenster zu bestaunen. Dabei war dafür extra das alte Fachwerk aufgeschnitten worden. Zu einer Zeit als man in Berlin, Hamburg und anderswo noch nichts von den Bedrohungen durch das Internet wusste, machte sich hier das Geschäftesterben schon bemerkbar. Die Grenzöffnung brachte Förderung für die neuen Bundesländer gleich nebenan. Das schuf im benachbarten Thüringen hübsch renovierte Häuser und neue Fußgängerzonen. Die alte Kleinstadt aber begann zu verwaisen. Dort wo einst ein alteingesessenes Schuhgeschäft Schulanfänger, aufstrebende Teenager, wohlsituierte Damen und Herren ausgestattet hatte, dekorierte nun ein Billigheimer seine bescheidenen Waren. Das Haus mit der Konfektionsmode – weg. Die Buchhandlung, welche in dritter Generation die Kleinstädter mit Büchern und Schreibwaren versorgt hatte, – geschlossen. Es ist bis heute der einzige Laden geblieben, wo ich Dinge gegen mein Kürzel in einer handschriftlich geführten Liste mitnehmen durfte. Ich glaube fast, erwachsener als beim Unterschreiben mit dreizehn habe ich mich nie gefühlt.
Inzwischen bin ich ein bisschen älter geworden und bezahle oft mit der Pinnummer meiner Kreditkarte. Auch die Innenstädte von Berlin und Hamburg haben gelitten. Fast alles bekommt man inzwischen in viel größerer Auswahl im Internet. Verwaiste Innenstädte, in denen nur noch ein paar Versicherungvertreter ihre Dienstleistungen anpreisen, will ich genauso wenig wie einen blöden Kaffeebecher. Sie müssen wissen, ich habe ein inniges Verhältnis zu meinem Kaffeebecher. Der aktuelle Lieblingsbecher muss morgens ans Bett, später mit ins Auto und wird auch später noch von Scheibtisch zu Schreibtisch mitgeschleppt. Dieser eine, perfekte Becher aus dickem Porzellan jedenfalls war mir abehanden gekommen. Irgendwo stehen gelassen, runter gefallen, was weiß denn ich? Es machte mich unfroh. Der Ersatzbecher hatte einen klobigen Henkel, wo der andere Becher angenehm griffiges Gummi gehabte hatte, der Ersatzbecher hatte den falschen Rand, die falsche Größe. Alles war irgendwie nicht richtig. Ich wollte mich nicht lange ärgern, sondern schnell einen würdigen Ersatz beschaffen. Also habe ich ein Geschäft in der Innenstadt aufgesucht, eines, in dem sie allerlei schicke Porzellan Service haben, stylische Wasserkaraffen, Espressokannen, Gewürzmörser. Auch Kaffeebecher, sogar von der richtigen Sorte, bloß nicht in der richtige Farbe und entweder ein bisschen zu klein oder viel zu klein. Es ist kompliziert. Am Ende funktioniert es im Internet so viel besser. Für den perfekten Becher habe ich den Händler mit dem teuren Ladengeschäft in der Innenstadt verkauft. Jetzt fühle ich mich ein bisschen schlecht, aber nur ein bisschen. Denn ich habe wieder meinen Becher. Und zwar den perfekten.
Bloß, was soll stattdessen in unseren Innenstädten stattfinden?