Die Welt steht Kopf

Fridays for Future in Hamburg

Gerade lerne ich auf meinen Händen zu stehen. Gerade trifft es vielleicht nicht ganz. Also schon, ich übe fast jede Woche Handstand. Ich tue es nur schon seit Jahren. Es ist nämlich so, dass ich motorisch ziemlich herausgefordert bin. Neue Bewegungsabläufe lerne ich nicht mal eben so. Im Gegenteil. Die Rollwende beim Schwimmen wollte ich sage und schreibe zehn lange Jahre lang gerne können.

Rollwende

Ich fand es so elegant, eine Bahn zu kraulen und dann mit einem lässigen Flapp die Beine durch die Luft zu werfen, währenddessen mit der Drehung um die eigene Achse zu beginnen und zack die nächste Bahn zu kraulen. Kann ich inzwischen. Deshalb kann ich Ihnen auch verraten, dass es genauso leicht ist, wie es aussieht. Jedenfalls wenn der eigene Körper endlich begriffen hat, was er wann tun muss und wie sich das anfühlt. Es fühl sich auch wirklich genauso lässig an, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Aber lange wollte es einfach nicht klappen, die beiden Bewegungsabläufe, den Purzelbaum im Wasser (bei dem die Beine durch die Luft fliegen), und die Drehung um die eigene Achse miteinander zu verbinden. Ich habe mir alle Naselang Kinder im passenden Alter ausgeliehen (die Patenkinder wissen, wovon ich spreche) , die mir dann im Schwimmbad beim Üben geholfen haben. Ich habe mit Poolnudeln einen möglichst gerade Purzelbaum im Wasser geübt.

Erwachsene Freunde mussten mit ins Wasser um mit einer Tauchbrille ausgestattet zu gucken, an welcher Stelle ich welchen Fehler machte. Irgendwann habe ich meiner Freundin Kate mal Lachtränen in die Augen getrieben. Wir waren im städtischen Schwimmbad und sie hatte mir schon wirklich lange mit der großen Tauchbrille assistiert. Es gibt ja meist eine erste Phase, in der die zu übende Bewegung noch nicht so gut klappt, weil man gerade damit angefangen hat und erst in den Bwegungsablauf hinein finden muss, dann gibt es eine Phase, in der man so mikrowinzige Fortschritte macht und dann wird man langsam müde und wieder schlechter. In dieser letzten Phase habe ich entnervt gesagt. „Ach Mann, warum ist das denn so schwer? Ich verstehe doch eigentlich, was ich genau tun muss. Warum zur Hölle klappt das denn nicht?“ Kate verschluckte sich fast am Chlorwasser und ihr Gesicht wurde nasser als nass, so sehr musste sie lachen. Es hat eine Weile gedauert, bis sie wieder was sagen konnte: „Theoretisch, also theoretisch“, sagte sie langsam, „verstehe ich `Schwanensee‘ auch, bloß tanzen kann ich das Ballett trotzdem nicht.“

Fridays for Future

So ähnlich möchte ich mir unseren Umgang mit der Klimakrise vorstellen. Es dauert leider ewig. Es dauert ja immer noch, obwohl die menetekelhaften Prophezeiungen der Wissenschaftler jahrzehnte-alt sind. Es dauert also ewig, bis wir ein Gefühl für die Dringlichkeit des Problems entwickelt haben. Mindestens gilt das für mich. So richtig funktioniert es erst, seit ein besonders heißer Sommer mich fühlen lässt, das könnte ein Vorbote sein. Seit die zugefrorene Außenalster mich besorgt macht. Und jetzt dauert es leider auch sehr lange, bis wir wissen, welche Moves wir machen müssen. Und dann dauert es noch mal ewig, bis unsere Körper ein Gefühl dafür entwickelt haben, ja, es geht. Es ist gar nicht so unmöglich, wie erst gedacht. Wir können unseren Lebensstil teilweise ändern und es ist nicht das Ende der Welt. Das Ende kommt, wenn wir nix ändern.
In Hamburg findet diese Woche die elfte Klimawoche statt.

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