Einerseits und andererseits
Mir scheint diese durch die Corona Pandemie herunter gefahrene Zeit einerseits unglaublich langsam. Vieles passiert in meinem Rhythmus. Ich wache zum Beispiel auf, wenn ich aufwache. Das passiert auch ohne Wecker meist zwischen sieben und acht Uhr morgens. Aber es ist nicht mehr so wichtig, dann aus dem Bett aufzuspringen und schnell loszulegen.
Wir trinken morgens erst mal einen Kaffee im Bett und lesen Nachrichten. Wie geil ist das denn bitte? Ich kann jetzt quasi alltags ein Stück Sonntag feiern. Und das alles nur, weil die Pendelzeiten weg fallen. Nicht nur deshalb fühle ich mich privilegiert. Wir haben unsere Jobs noch, werden regulär weiter bezahlt. Das ist alles fein. Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen. Viele freien Journalisten geht es gerade nicht so gold. Genauso toll finde ich, dass mir mein Arbeitstag nicht mehr so stark von äußeren Zwängen strukturiert wird. Kein von dann bis dann musst Du in dieser Konferenz sitzen, anschließend jenes besprechen. Klar ich habe zur Zeit viele Videokonferenzen, die zu verabredeten Zeiten stattfinden. Aber dazwischen? Kann ich mich organisieren, wie ich möchte. Für mich ist die Umstellung allerdings gar nicht so groß. Auch in normalen Zeiten verbringe ich einige Tage der Arbeitswoche im Heimbüro. Zuletzt waren das je Woche zwei. Dass es jetzt stattdessen fünf sind, macht für mich keinen so riesigen Unterschied. Jedenfalls im Verhältnis zu Leuten, die von 100 Prozent Außendienst auf 100 Prozent Homeoffice umschwenken müssen. Auch in normalen Zeiten muss ich mir oft, überlegen, was ich bearbeiten möchte und wie ich das genau tun will. Ohne, dass mir jemand über die Schulter schaut und kontrolliert, ob ich das gut und zeiteffizient mache. Das muss ich schon immer selber tun. Wenn ich zu viel Zeit vertrödele, rächt sich das einfach dadurch, dass ich weniger verdiene. Trotzdem fühlt sich diese Zeit irgendwie besonders an, weil zumindest bis gestern so was Feiertägliches in der Luft lag. Seit sich die Straßen wieder füllen, verfliegt das leider.
Andererseits
verfliegt auch die Zeit wie in einem Zeitraffer. Wir sind schon in der sechsten Woche Ausnahmezustand. Krass! Wo sind all die Wochen geblieben? Was haben wir in all der Zeit nur gemacht? Schließlich war ich nicht mehr rudern, nicht mehr im Fitnessstudio, habe mich nicht mit Freunden in der Stadt verabredet, kein Kind zu irgendwelchen Verabredungen gefahren. Inzwischen hat sich ein neuer Alltag in der Corona Krise eingependelt. Wir haben schon Sachen gemacht, nur andere irgendwie. Wir haben unsere Kochkünste verfeinert. Fast jeden Abend wird zur Zeit aufwändig gekocht. Inklusive diverser Versuche eine Klopapierrollen-Torte zu backen. (Bisher optisch gescheitert, dazu an anderer Stelle mehr.) Frau Nessy hatte mich dazu inspiriert. Es gab viele israelisch-palätinensische Gerichte, einiges aus dem Kochbuch der Alltagsprinzen-Mama. Ein paar unaufwändige Alltagsgerichte. Demnächst verlege ich mich auf die französische Küche. Und auf thailändische Gerichte.
Und sonst so? Wir haben eine große Wand im Flur zur dunkelblauen Schultafel umgestrichen. Seitdem erhält die immer mal wieder eine neue mehr oder weniger begabte Zeichnung. Gerade töröt ein großer Elefant zur Begrüßung. Eine Weile kann ich dieses Ausnahmezustand noch gebrauchen. (Wir wir alle, wenn uns lebendige Menschen lieber sind als Tote, will mir scheinen.) Mir fallen noch ein paar Koch- und Nähprojekte ein und ein paar kreative Ideen.