Reiten – nur was für Mädchen?

Mathilde mag das

Harriet erzählt, was die Faszination des Reitsports ausmacht.

Als Kind bin ich geritten. Einmal die Woche bin ich ins Nachbardorf geradelt. Nach dem obligatorischen Striegeln habe ich dann auf Fides oder Schecky Schritt, leichten Trab und Galopp geübt. Klar, wir waren mehr Mädchen als Jungs, aber es gab welche. Die vorherrschenden Farben im Stall waren dreckigweiß, braun und schwarz.

Schnitt.

Nach jahrelanger Abstinenz habe ich vorletztes Jahr wieder angefangen zu reiten. Es hat sich was verändert. Zwar gibt es immer noch einen wortkargen, brummigen Reitlehrer & Hofherrscher, der allen Freizeitreitern sagt, wo es lang geht. Aber die vorherrschende Farbe ist jetzt eindeutig schmutzigrosa mit ein paar Glitzerdetails. Es laufen fast nur kleine Mädchen umher. Die Unterhaltungen drehen sich um die besten rosa-karierten Reitstrümpfe, gesteppte Reitwesten (gibt es auch in Pink) und Lederarmbänder mit kleinen Talismännern. Vor allem aber scheint das seelische Wohlbefinden der Vierbeiner ein wichtiges Thema zu sein. „Lass Smilla lieber noch ein wenig länger auf der Weide stehen, die ist immer noch so down, weil Gaia verkauft wurde.“ Oder: „Guck mal, Heinrich hat schlechte Laune.“

Habe ich mich bloß verguckt, oder ist Reiten wirklich so, äh, rosa geworden? Ich war viele Jahre nicht dabei, deshalb frage ich mal jemanden, der sich mit dem Reiten und den Mädchen auskennt. Harriet Jensen betreibt einen erfolgreichen Freizeit Reitblog,

Harriet liebt ihre Pferde - Mathilde Magazin
auf dem sie sich und ihre Pferde Wonne und Caesarion apart in Szene setzt. Mit ihren beiden Schimmeln nimmt sie öfter an Turnieren in den unteren Klassen teil. Das Training ist auf ihrem Blog genauso wichtig, wie die Frage, welche Trense am besten zum Sattel passt.

Harriet muss es also wirklich wissen, besser als ich, auf was ich mich bei meinem neuen, alten Hobby einstellen muss. Was ist denn das Tolle am Reiten? Und warum scheinen nur Frauen in der Lage zu sein, das zu sehen? Harriets Antwort in einem Wort: Gefühle! „Beim Reiten bekommt man so eine Verbindung zu einem anderen Lebewesen. Jedes Pferd hat ja seinen ganz eigenen Charakter und es ist einfach sehr schön, wenn man diese Kommunikation hinbekommt, obwohl man nicht dieselbe Sprache spricht. Das ist so was ganz, ganz Besonderes, es ist ein sehr emotionsgeladener Sport.“

Und die Jungs, wo sind die? Naja, sagt Harriet, in unserem Stall haben wir 85 Boxen und es kommen, wenn es hoch kommt, allerhöchstens zehn Männer. Und dann erzählt sie statt einer Antwort eine kleine Anekdote: „ Ich bin letztens in den Stall rein gekommen und da hat einer unserer männlichen Reiter sich gerade ganz süß mit seinem Pferd unterhalten, richtig so, als würde der antworten: Sitzt die Trense so richtig? Und: Magst Du die Möhre? Kaum habe ich „Hallo.“ gesagt, ist der sofort knallrot geworden und hat ab da wieder ganz normal sein Pferd fertig gemacht. „Ich glaube,“ meint Harriet, „reiten ist den meisten Männern zu seicht, zu gefühlsbetont. Erst im großen Sport, wenn Athleten eine Leistung zeigen, die vielleicht auch ein bisschen gefährlich ist, sind die Jungs wieder dabei.“

Der Reitsport ist toll, die eigenen Bewegungen auf die eines Tieres abzustimmen, sich draußen in der Natur auszupowern. – Das hat schon was. Also habe ich meine Rosaphobie überwunden und bin wieder hingegangen. Gelegentlich bin ich mit einem Islandpferd ausgeritten, habe mich mittelerfolgreich im Tölt ausprobiert, gelegentlich habe ich ein Großpferd geritten. Wie so oft, Sachen, die man schon als Kind gelernt hat, sitzen. Ich kann nicht mehr alle Befehle. Und als das erste Mal ein Pferd mit mir durchgegangen ist, war ich einen Moment panisch. Aber ich konnte es noch. Ich habe den Galopp ausgesessen, bis wir uns beide wieder beruhigt hatten. Ha, gelernt ist gelernt. Ich werde es wieder tun.

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