Zwölf Alltagsperlen von meinem 12. September. Die soll es auch heute geben. Aber das Konzept braucht ein bisschen Abwechslung. Deshalb erscheinen heute die zwölf Programmpunkte nicht auf einen Schlag, sondern so nach und nach. So wie sich das Leben eben auch mit der Zeit ergibt.
Heute Morgen in Hamburg dachte ich als erstes, das kann ja sein, dass ich gestern noch behauptet habe, ich käme zum Schwimmtraining, aber ich muss (äh, will) ganz dringend noch einen Moment im Bett liegen bleiben und Kaffee trinken.
Später …
Später hatte ich dann doch ein schlechtes Gewissen, weil das Training eigentlich schon angefangen hatte, als ich noch die Sporttasche packte. Andererseits braucht an einem Samstag niemand Freizeitstress. Deshalb bin ich einfach trotzdem noch hingegangen.
Ich kann jetzt übrigens die Rollwende so einigermaßen. Um ehrlich zu sein, ist es immer noch so, dass ich meistens ein bisschen zu tief ins Wasser abtauche und dann Zeit verliere, weil ich ja wieder hoch schwimmen muss.* Und die perfekte Armhaltung – für eingeweihte Schwimmer: Arme erst am Körper ausstrecken, dann Purzelbaum im Wasser mit Drehung, wodurch die Arme am Ende des Bewegungsablaufs automatisch nach vorne zeigen – klappt auch bloß manchmal und eher zufällig. Aber egal, das wird.
Anschließend noch mal Kaffee trinken, hey, es ist schließlich Samstag, einkaufen und zuhause Zeitung lesen, es ist immer noch Samstag. Dann die Bilder von gestern Abend durchgucken. In Hamburg findet gerade das Harbourfront Literatur Festival statt.
Gestern Abend habe ich gelernt, dass bei den Protestanten auch die hübschen Jungs Pfarrer werden. Meike Winnemuth wies überrascht auf ihren Vorredner Frank Engelbrecht hin. Überrascht war sie auch von den vielen Gästen, die sich in St. Katharinen eingefunden hatten. Überrascht und ein bisschen aufgeregt, wie sie gestand. Das hat wiederum mich ein bisschen überrascht. Schließlich ist die Frau überaus erfolgreiche Buchautorin, Weltreisende, Kolumnistin, Bloggerin. Wie sagte es eine Dame aus der ersten Reihe so nett: „Wir sind ja bei Ihnen.“ Und dann ging es auch: Von Text zu Text wurde Frau Winnemuth sicherer, lustiger und pointierter. Sie hatte aber auch ein nettes Publikum, das über jeden Scherz deutlich hörbar, aber eben auch nicht zu laut, schmunzelte und nach jeder Kolumne brav applaudierte. Sehr gut für das Ego sei das Vorlesen kurzer Texte, fand Frau Winnemuth, man bekomme so viel öfter Beifall, das müsse sie jetzt immer so machen.
So weiter bin ich mit dem Tag noch nicht. Der Rest muss erst noch erlebt werden, bevor ich weiter bloggen kann. Ich werde meinen Schreibtisch leer arbeiten, aufräumen und heute Abend darf Alex Capus mir was vorlesen. Toll, nicht? Bis später.
Das Ordnungsproblem auf dem Schreibtisch habe ich durch konsequentes Nicht-Beachten gelöst und tippe nun stattdessen vom Sofa aus. So unter Decken vergraben und mit einer heißen Tasse Tee dazu ist es doch gleich viel gemütlicher und ich kann mir einbilden, es sei so was Ähnliches wie Freizeit.
Huch, so spät schon. Wenn ich mir nicht ganz sofort, was zu essen mache, werde ich heute Abend beim Habourfront Literaturfestival schrecklich leiden müssen. Ich werde dann quasi verhungern, während Alex Capus liest und liest. Deshalb parallel zum Tasche-Packen, Fertigmachen das berühmte Ein-Topf-zwei-Gemüse-drei-Zutaten-Essen.
Fix noch ein bisschen aufhübschen und ab auf’s Rad. Der Weg von Altona über die Schanze, durch St. Pauli in die Hafencity gestaltet sich dann noch ein wenig aufregender als gedacht. Ich bahne mir meinen Weg an behelmten Polizisten und Wasserwerfern vorbei.
Und dann hat Alex Capus nicht vorgelesen. Er hatte nicht mal sein neues Buch dabei. Das mache aber nix, erzählt er in seinem bedächtigen schweizerischen Singsang. Schließlich habe er das ganze Buch geschrieben, da könne er auch ein bisschen davon erzählen. Im vorliegenden Fall sei es so gewesen, dass ihm jemand eine Geschichte angetragen habe, die müsse er, Alex Capus, unbedingt aufschreiben. Jetzt sei es so, dass das im Leben eines Autors dauernd passiere, das irgendjemand meine, er müsse eine bestimmte Geschichte aufschreiben. Meistens meine der Antragsteller damit die eigene Vita, in diesem Fall aber…
In diesem Fall war es ein Mosaikstein in der an Details reichen, wilden Lebens-Geschichte des schottischen Schriftstellers Louis Stevenson. Der hat im 19. Jahrhundert „Die Schatzinsel“ geschrieben. Den Abenteuer-Roman haben bestimmt einige in ihrer Kindheit gelesen. Alex Capus nicht. Zum Glück für uns Leser und Zuhörer hat er das aber nachgeholt.
Auch wenn er nix vorgelesen hat, erzählen kann Herr Capus ganz prima. Voller guter Vorsätze das und ganz viele andere tolle Bücher zu lesen entließ uns der Autor nach bald anderthalb Stunden in die laue Hamburger Nacht.
Im Hafen gab es einen letzten Rest der Cruise Days zu bestaunen. Hübsch erleuchtete Segel- und Kreuzfahrtschiffe fuhren durch den ebenso hübsch blau illuminierten Hafen. Wozu die Menschen im Hafen Bratwurst aßen und ein bisschen staunten. Ein letztes Heißgestränk und ab nach Hause.
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