Der Herbst wird wunderbar. In Hamburg findet gerade das Harbourfront Literaturfestival statt. Und ich habe schon so viele tolle neue Bücher entdeckt. Angefangen bei Alex Capus, der mich am vergangenen Samstag total in seinen Bann gezogen hat. Da steht so ein Typ auf der Bühne in Holzfällerhemd und praktischer Outdoor-Hose und hat nicht mal sein Buch dabei.
Aber das mache nix, sagt er bedächtig in freundlichem Schweizer Singsang. Schließlich habe er es ja geschrieben, da könne er auch so davon erzählen. Und das tat er dann. Anderthalb Stunden lang erzählte der Autor kenntnis- und Fakten-reich aus dem Leben des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson, dessen bekanntester Roman „Die Schatzinsel“ er, Capus als Kind nie gelesen habe. Aber sei es drum. Mit den Schätzen sei das eh so eine Sache. Immer mal wieder würden alt aussehende Schatzkarten für wahnsinnig teures Geld verkauft und im Anschluss ginge wieder ein halbes oder gleich ein ganzes Glücksritter-Leben drauf. Nur um an irgend einem unwirklichen Ort die Erde umzugraben. Alles in der Hoffnung dort Gold und andere Schätze zu finden. Seine, also die von Alex Capus, Empfehlung an uns sei jedenfalls: „Tun Sie das nicht. Sie machen sich unglücklich!“ (Hier bitte zartes Schweizerisch vorstellen.) Als er das sagte, hatte er sein Publikum schon voll und ganz auf seiner Seite. Wir wollten also gar nicht auf Schatzsuche gehen, jedenfalls nicht sofort. Wir wollten ihm lieber weiter zuhören.
Also erzählte Herr Capus weiter vom schottischen Schriftsteller Stevenson und dessen Liebe zur zehn Jahre älteren Fanny. Mit deren beiden Kindern Isobel und Lloyd er um die halbe Welt zog. Paris, wo sie sich kennen gelernt hatten, London, die französische Provinz, Nordamerika, New York, Kalifornien, noch mal Europa, England, Schottland und schließlich Samoa in der Südsee. Er, Capus, wolle nix gesagt haben, aber Stevensons jahrelanger Aufenthalt mit dem gesamten Clan im Pazifik, das sei schon seltsam. Seine Frau Fanny, die immer seekrank wurde, war all diese Jahre genauso dabei, wie seine Mutter Margret, Stieftochter Isobel, Sohn Lloyd. Und dabei hätten sie sich nicht einmal besonders gut verstanden, dort in der Südsee. Vor allem sei nicht klar, wovon die Großfamilie all die Jahre gelebt habe. Denn außer der erfolgreichen Romanveröffentlichung der „Schatzinsel“ habe nie jemand in der ganzen Familie sich ernsthaft am Geldverdienen versucht.
Wie gut, dass Alex Capus das Buch am Samstag nicht vorgelesen hat. Jetzt kann ich ich mich darauf freuen, dass ich es bald in Ruhe auf meinem gemütlichen Sofa lesen kann. Natürlich erst nachdem ich Merle Krögers Havarie gelesen habe. Das Schaudern über nasskalte Situationen auf und im Mittelmeer funktioniert hier unter warmen Decken und mit heißem Tee womöglich noch besser. Ach und Robert Seethaler muss ich auch noch unbedingt lesen.
Der Herbst wird wunderbar.
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