Keine Zeit, nie. Keine Zeit. Alles, was ich im Moment so tue, ist für sich gut und richtig. Alles zusammen ist zu viel und kein bisschen mehr richtig. Es ist, nur um mal mit einem Beispiel anzufangen, richtig schön, Freunde zum Abendessen da zu haben. Schon deshalb weil wir in der neuen Wohnung so ein prima Esszimmer haben, wo wir den alten Tisch in die Mitte des Raumes schieben können. Da steht er dann vor dem weißen Bücherregal, wir haben was Leckeres zu essen (Letztens haben wir einfach einen großen Käse geschmolzen, ein paar Salate und Beilagen dazu, fertig.) drauf gestellt, ein paar Flaschen Wein besorgt und munter drauf los geplaudert. Richtig toll war das.
Genauso toll war der Abend im Theater neulich. Ich gehe wirklich gerne ins Theater. Und trotzdem war ich zum ersten Mal meines Hamburger Lebens im Ohnsorg Theater, der Institution, die mit und durch Heidi Kabel die plattdeutsche Unterhaltung in die schwarz-weißen Fernseher der alten Bundesrepublik getragen hat. Ich hatte mich auf eher schlichte Schenkelklopfer-Sprüche eingestellt, Geschichten, die anfangen mit „Kommt ein Mann zum Arzt…“. Und wurde ganz gut überrascht. „Extrawurst“, eine Komödie von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob, ist ein schlaues, unterhaltsames Stück über das Aushandeln der Welt im Kleinen, in diesem Fall einem Tennisverein, und der Politik im Großen: Sollen wir wirkliche ein neues Vereinshaus bauen? Kostest das so viel? Echt jetzt? Und kommt das beste Angebot tatsächlich vom Kumpel unseres Vereinspräsidenten? Außerdem: Wieviel Integration darf, muss, soll verlangt werden, wieviel dürfen, müssen oder sollen diejenigen integrieren, die die Mehrheit stellen? Sind sie überhaupt eine Mehrheit oder splitten sich die nicht auch wieder in viele einzelne Meinungen auf? Zu Anfang hatte ich ein wenig Mühe mich in den Sound einzuhören, außer „Moin, Moin“ verstehe ich als Kind aus der nordhessischen Provinz ja nicht wirklich was.
Zufällig passt der Ohnsorg‘sche Stoff gerade in mein Leben wie die Faust aufs Auge. Zufällig steht bei uns im Verein nämlich gerade Renovierung /Neubau unseres Stegs an. Wie Politik im Kleinen, Nahen funktioniert, kann ich da super lernen. So toll auch das ist, es ist ungemein zeitaufwändig. Dauernd muss man sich treffen, reden, in Mitgliederversammlungen sitzen, wo alles gesagt werden darf und zwar von jedem!! Wieviel Zeit ich seitdem damit verbracht habe, Dinge zu besprechen, Anträge zu stellen, Leute zu überzeugen und Stimmen zu sammeln.
Dass Kind hat gerade leihweise ein Pferd. Auch toll. Ich bin selbst als Kind geritten und kann sie gut verstehen. Ein eigenes Pferd zu reiten, ist viel intensiver als einmal die Woche auf einem Schulpferd zu sitzen. Man kann so viel mehr ausprobieren. Aber irgendwie erinnere ich mich gerade auch, warum ich das Hobby als Erwachsene nicht weiter verfolgt habe. Das ist alles so zeitaufwändig. Dauernd fahren wir zum Reitstall. Dauernd verschlingt das mit Hin- und Rückweg stets gleich mehrere Stunden.
Die aktuelle Joblage bringt es mit sich, dass ich wieder öfter mit dem öffentlichen Nahverkehr fahre. So habe ich zumindest stückweise wieder mehr Zeit für Bücher. Gerade lese ich Suad Mekhennets Bericht „Nur wenn Du alleine kommst“. Jahrelang ist sie als arabisch-sprechende Journalistin durch die Welt gereist, auf den Spuren der Attentäter und Krieger, die im Namen des Islams überall auf der Welt Blutbäder und Tod anrichten. Spannend, gut erzählt.
Noch toller wäre es bloß, ich könnte das alles etwas öfter zu Hause auf dem Sofa tun. Eigentlich wollte ich doch wieder öfter wohnen.