Nachrichten im November

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Ich habe Geschichte studiert. Schon früh hat mich fasziniert, wie das Leben anderer Leute war, bevor ich mit meinem angefangen habe. Eine der grundsätzlichen Lektionen, die man im Geschichtsstudium begreifen muss, ist die: Die Zukunft ist immer unbekannt. Zu keiner Zeit wussten Menschen, was sie am nächsten Tag erwartete. Logisch. Geradezu zwingend. Aber trotzdem stolpert man immer wieder darüber und kann es nicht begreifen. Warum hat zum Beispiel niemand die Reden des Politikers Hitler ernst genommen? Vor dem Wahlsieg seiner Partei am 6. November 1932, der mit 33,1% nicht einmal besonders beeindruckend gewesen war. Aber Mehrheit ist Mehrheit, egal wie klein. Daran hat sich bis heute nix geändert.

Warum haben die Leute nicht sofort große Angst bekommen? Warum sind die deutschen Juden nicht sofort außer Landes gegangen. Er hatte doch alles öffentlich gesagt, geredet, gebrüllt, was er vorhatte mit ihnen. Seit heute kann ich nachfühlen, dass das eben immer so ist. (Egal, wie sehr man im Nachhinein denkt, das hätten doch allen klar sein müssen.) Wir wissen nicht, was morgen sein wird. Aber so lange das so ist, sollten wir erwachsenen Leuten immer glauben, dass sie das, was sie vorhaben, auch tun. Blöderweise weiß ich nun nicht, was ich mit der Erkenntnis anfangen soll. Und wahrscheinlich war auch das schon früher so.

Und wo heute der 9. November ist, eine fast private Geschichte von einem anderen 9.11. in Deutschland.

Wildes Essen

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Wir waren zum Essen eingeladen. Das Ganze war als eine Art Stationen-Reise angelegt. Man konnte im Uhrzeigersinn verschiedene Gänge probieren. Aal auf Karottenpüree zum Beispiel, Kabeljau, Jakobsmuschel, Wiener Nachtisch Spezialitäten. Herrlich. Aber statt uns an die vorgegebene Reihenfolge zu halten, sind wir unserer Nase gefolgt und zuerst beim Schweizer Käse gelandet. Nicht die Langeweilersorten, die jeder kennt.

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Kein Tilsiter oder Gruyère (gegen den natürlich nix zu sagen ist). Nein,

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Alte Sachen

Frühstücks – Buch

Ich bin ein schrecklich oberflächlicher Mensch. Dochdoch, daran kann auch nicht all das pseudoschlaue Geschreibsel über Bücher, Theater, Design und andere Kultur hinweg täuschen. Markus Flohrs Roman Alte Sachen habe ich gekauft, weil ich den Textil-Einband so schön fand. Rot-weiße Streifen im Zickzack, das weiß ein bisschen nachgedunkelt. Es lässt mich an einen kleinen, altmodischen Zirkus denken, oder nein: an einen Puppen-Zirkus, der irgendwo auf dem Speicher zwischen altem Spielzeug und Krams überwintert hat.

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The Times They Are a-Changin‘

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Als Bob Dylan den Song 1964 den Song schrieb, war er fast noch gar nicht Bob Dylan, der legendäre Folksänger, der sich nach seinem irischen Lieblingsdichter Dylan Thomas benannt hatte, sondern noch viel eher Robert Zimmerman aus dem ländlichen Minnesota. Ich war noch nie in Minnesota, aber ich stelle mir das sehr, sehr ländlich vor. Vielleicht hilft es von so weit draußen zu kommen, um die richtigen Worte zu finden. Solche, die die Welt beschreiben, aufregen, anfragen, anklagen … und das auch noch so, dass es sich in das Gedächtnis vieler Menschen einbrennt. Seine Folksongs sind Pop, richtig gute Popmusik, schlau, vielschichtig und trotzdem eingängig, scheint mir. Aber was weiß schon ich, ich kenn ja längst nicht alles, was der Mann je geschrieben hat.

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ABC Laden

ABC Laden in Hamburg

ABC Laden in Hamburg

Besuche bei Dorothee in Köln habe ich geliebt. In der elegant gestalteten Wohnung meiner Patentante bekam ich zum ersten Mal ein Gefühl dafür, wie großartig interessant und inspirierend die Welt da draußen ist. Ihre vielen Bücher standen natürlich im Rahms-Regal, Kunst hing an den Wänden und davor standen zeitgenössische und antike Designer-Möbel nonchalant herum. Vor allem aber lagen immer aktuelle Zeitschriften auf dem Tulip Tisch, so dass ich es mir auf dem riesigen Samtsofa bequem machen und blättern konnte. Wo gibt es heute noch ästhetisch spannende Zeitschriften und Magazine mit unerwarteten Geschichten?

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Kreative Prokrastination

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Heute habe ich schon zwei einhalb Mathilden gezeichnet. (Eine mit zu breiten Schultern, eine mit einem komischen linken Oberschenkel und eine nur im Portrait, da kann nicht so viel schief gehen.) Ich habe ein wenig auf dem Klavier geklimpert und ein bisschen Jonglieren geübt. Pausen sollen gut sein bei Kopfarbeit, las ich neulich. Besonders solche, in denen man etwas tut, das die Sinne auf andere Weise beschäftigt, als die gewohnte Kopfarbeit. Niemand kann mir vorwerfen, ich hörte nicht auf andere Leute Ratschläge. Und von der stapelt sich hier gerade ein hübscher Haufen.

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Tag der Deutschten Einheit

Werratalsee in Eschwege

Werratalsee in Eschwege

Es ist der dritte Oktober, draußen regnet es so vor sich hin. So unspektakulär wie das Wetter in Deutschland gerne mal ist. Deutschland kann im Herbst zwar auch golden sein, so wie letztes Jahr übrigens, aber heute ist mehr so ein Tag für deutsche Gemütlichkeit. Gemütlichkeit scheint mir nicht ganz grundlos ein Wort zu sein, dass es eher in den Sprachen des Nordens gibt als zum Beispiel in Frankreich oder Spanien. Dort gibt es Begriffe für einladend oder gastfreundlich. Aber die Idee, es sich zu Hause mit einer Tasse heißen Tee auf dem Sofa gemütlich zu machen, passt vielleicht nicht so recht in Länder, in den es auch draußen meist warm und einladend ist. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, die deutsche Einheit, wir feiern heute zwar nicht mehr die aufgekratzte Partystimmung jener Novembertage als die Mauer fiel und der Grenzzaun Löcher bekam, sondern den Tag als die neuen Bundesländer zu den schon etwas abgenutzten alten Bundesländern beitraten und wir ein gemeinsames Deutschland wurden.

Aus gegebenen Anlass, Wetter, Tee, Sofa, 3. Oktober, habe ich mich heute kreuz und quer durch die Blogosphäre gelesen. Verschiedene Menschen haben in letzter Zeit über die Demokratie nachgedacht.

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Immer wieder sonntags

Der erste Blogpost von Hand geschrieben

Der erste Blogpost von Hand geschrieben

Wer was auf sich hält, so als Großstadtbewohner, der muss Flohmärkte lieben. Deshalb tue ich das vorsichtshalber auch. Es ist Sonntag, die Sonne lacht vom Himmel, gerade so als habe sie Paul Maar gelesen. Natürlich schlendern wir nach den erfolgreich absolvierten Programmpunkten „lange Ausschlafen“ sowie „ausgedehnt Frühstücken“ über den Flohmarkt. Vorher stelle ich mir das immer so nett vor. Ich sehe dezenten Trubel vor mir, Stände mit alten und mittelten vor allem aber ganz entzückenden Dingen: Schimmernden Perlmuttknöpfen, chabby-schicken Kommoden, rosenbemustertem Porzellan. Tatsächlich ist es dann meist zu voll und die alten Sachen sind wirklich alt. Außerdem zeigt sich mal wieder: Es hat Gründe, wenn Leute sich von Dingen trennen. In der Regel kann ich diese Gründe ganz wunderbar nachvollziehen. Ich will nämlich auch keine muffigen Pullover anziehen, ich brauche gar keine Kommode im schiefen Charme der Siebziger und was an den Knöpfen schimmert, sind höchstens die abgeschlagenen Ecken.

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Wir Glücklichen

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Uns fehlt im Deutschen ein Wort für Schicksal. Was hat’se denn nun, werden Sie vielleicht denken. Da ist es doch: Schicksal. Gerade hingeschrieben, was war daran so schwer? Schicksalsschwer klafft genau hier die Lücke. Schicksal klingt nach Vorbestimmung, Schwere, Unausweichlichkeit. Was ist aber mit all den Dingen, die einfach so passieren, die einfach sind? Weder schwer schlimm noch grandios toll sind? Die sind ja auch in meinem Leben. Und natürlich

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12 von Zwölf

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Kennen Sie den Moment, wenn man aufwacht und ganz aufgeregt ist von der Aussicht auf die drölfzig Projekte, die einen an diesem wundervollen Tag erwarten? Eigentlich weiß ich von Anfang an, dass das unmöglich alles klappen kann an einem einzigen Tag. Aber dann denke ich immer, ach was, fange ich einfach mal vorne an. Allerdings nimmt schon die Frage, worauf ich am meisten Lust hätte, bemerkenswert viel Raum und Zeit ein. Priorisieren geht anders. Allein, alle Vorhaben sind toll. Und dann, in einer Art Übersprungshandlung mache ich erst mal etwas total Nebensächliches:

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