Kennen Sie Stephan Thomes Roman Grenzgang? Sein Roman nimmt mich mit in das fiktive Provinz-Städtchen Bergenstadt. Eigentlich braucht mich niemand mit in die Provinz zunehmen. Ich komme ja selber daher. Aber so klug, liebevoll und schonungslos wie Thome ist es bis dato noch niemandem gelungen, mir vom Behütetsein, vom Schönen, Kleinen, Beengendem, Alltäglichem und Großartigem zu erzählen.
Je länger ich aus meinem Heimatstädtchen weg gezogen bin, desto besser gelingt mir ein liebevoller Blick auf Fachwerkhäuschen, Flussauen und überhaupt ziemlich viel Natur.*
Oder wie Thome es seine Hauptfigur, einen kleinstädtischen Gymnasiallehrer mit Berliner Episode sagen lässt: „Wenn ich ehrlich sein soll“, sagte er, „was ich an Bergenstadt mehr als alles andere mag, ist, dass ich es geschafft habe, von hier wegzukommen. Sozusagen den Unterschied zwischen dem, wo ich herkomme, und dem, wo ich jetzt bin – das mag ich.“
Am Wochenende war ich mal wieder zu Besuch. Da haben sie in Eschwege nämlich einen Anlass geschaffen.** Das Johannisfest. Und so habe ich mich Freitagabend durch die Kleinstadtstraßen geschoben, ein Bier in der Hand, habe Leute getroffen, deren Namen mir nicht mehr spontan einfallen, egal, habe darüber hinweg geplaudert, mir die Festumzüge der Schüler und Blaskapellen angesehen, kurz: Ich habe mich ganz prima amüsiert.
* Zumindest für jemanden, der den Blick auf den Hamburger Hafen gewohnt ist.
** Anlass – ist das nicht ein hübsches Wort? Hier habe ich es entdeckt. Man schafft oder braucht einen Anlass (etwas, das einen antreibt) um einen Ort aufzusuchen. Passt. Und eigentlich ist es ein viel treffenderes Wort als Event. Diese unüberlegte Eventhuberei kann einem gelegentlich auf die Nerven gehen.
Pingback: Spazieren gehen - MATHILDE MAG
Pingback: Verplant - MATHILDE MAG