Segeln ist so eine Beschäftigung, die ich mir mehr als prima vorstelle. Ich muss nur das Wort hören, schon sehe ich eine schmucke kleine Yacht vor meinem inneren Auge. Blanke Holzbohlen an Deck, weiße Details, blauweiß gestreifte Kissen, ein großes Steuerrad und über allem bauschen sich fröhlich weiße Segel. Man hat ein wenig Wind um die Ohren, gelegentlich fährt man ein Manöver und ansonsten blinzelt man fröhlich in die Sonne. So in etwa. Toll. Ach was: tolltolltoll.
Dummerweise ist mein Gleichgewichtssinn nicht ganz so fröhlich gestimmt wie ich. Oder anders: Der denkt sofort Paaarty, sobald die Worte Wasser und Wellen auf meine Ohren treffen. Aber fangen wir von vorne an.
Wir hatten eine kleine Yacht gechartert, eine Beneteau Oceanis 411, eifrig und überambitioniert Lebensmittelvorräte eingekauft, ein paar Klamotten in wasserdichte Seesäcke und Rucksäcke gepackt und uns auf den Weg nach Kiel gemacht, wo das Boot auf uns wartete.
Die Ankunft
Ein winziges bisschen unwirtlich wirkt der Teil des Kieler Hafens, in dem „unsere“ Yacht liegt, schon. Umso schmucker strahlt das kleine weiße Boot dagegen, die Tristan. Gerade mal 13 Meter ist sie lang, knapp vier Meter breit und doch scheint sie alles zu haben, was man so zum Segeln braucht: Einen Rumpf mit einer Art Wohnzimmer unter Deck, ausgestattet mit Sitzecke und Kochzeile, zwei kleine und eine größere Kabine. Einen relativ großen Segelmast hat die Tristan, von dem aus man ein kleineres und ein größeres Segel hissen kann – insgesamt 86 Quadratmeter Segelfläche, erzählt uns der Skipper. Außerdem hat die Yacht ein beeindruckend großes Steuerrad, Bänke zum Draußen-Sitzen, allerlei Seile und Gerätschaften. Eine kurze Einweisung später tuckern wir unter Motor aus dem Kieler Hafen. Neben der Oslofähre und einem Kreuzfahrtschiff wirkt die Yacht auf einmal doch recht klein und unbedarft.
Die Segelei
Sobald wir den Kieler Landtag, Laboe und das Hafenbecken hinter uns gelassen haben, setzen wir das erste Mal Segel. Ein bisschen mulmig ist mir schon. Ich kann nämlich gar nicht segeln. Mal abgesehen von meinen Anfängen als Plastikboot-Kapitän tendieren meine Erfahrungen mit Wasser und Wellen gen Null. Und es ist doch schon eine Weile her, dass ich drei war und meine Zukunft derart waghalsig plante. Heute habe ich sicherheitshalber Tabletten gegen Reisekrankheit eingepackt und fixiere erste einmal konzentriert den Horizont.
Toll, wenn man den Wind im weißen Tuch rauschen hört. Mit vier bis fünf Windstärken haben wir echten Wind, der uns vor uns her pustet, die Wellen scheinen ein bisschen bewegt, aber verträglich. Die Sonne blitzt auf blauen Wasser, links, Entschuldigung, wir Segler sagen natürlich an Backbord, liegt der Strand, auf der anderen Seite segeln andere Leute. Das alles habe ich höchstens aus den Augenwinkeln im Blick. Sicherheitshalber konzentriere ich mich nach wie vor auf den Horizont. Man weiß ja nie. Kekse und Kaffee werden gereicht. Gottseidank sind andere ein wenig mutiger als ich, die nicht so dringend irgendwas in der Kombüse wühlen müsste. Die Wellen, der Wind, Sie wissen schon. Nach einer Weile werde ich schläfrig, ob es der Wind ist, das Geschaukel oder das gleichmäßige Plätschern der Wellen an die Bordwand – ich rutsche jedenfalls tiefer in die Kissen. Später werde ich mutiger. Und übernehme sogar höchstselbst das Steuer. Bei unserer aktuellen Wetterlage besteht die Hauptschwierigkeit allerdings auch bloß darin, die roten und grünen Tonnen der Fahrrinne rechtzeitig zu entdecken.
Seemansgarn
Wir fangen an uns die Zeit mit Knoten zu vertreiben. Was sich anhört, wie das Handarbeitskränzchen am Kaffeetisch, ist erstens eins und zweitens hat das Ganze durchaus einen praktischen Hintergrund. Palstek, Webleinstek und Co braucht man um Sachen an Bord sicher zu befestigen und natürlich das Boot im Hafen festzumachen. Die Zeit flitzt an uns vorbei. Nach gefühlt, sagen wir, 20 Minuten, sehen wir schon die Mündung der Schlei. Das Wasser wird noch mal ein bisschen ruhiger, wir haben den Wind aus der falschen Richtung und werfen darum den Motor an. Natürlichnatürlich, wären wir begabt und ambitioniert, könnten wir auch kreuzen. Aber es ist auf dem Fluss schon recht eng und mit uns sind ja durchaus noch ein paar andere Kaffeefahrtensegler unterwegs.
Kappeln
Das Örtchen ist erstens recht hübsch, zweitens ziemlich harmlos, außer einer sehr kleinstädtischen Fußgängerzone, dem leicht verblichenen Ruhm Drehort für den Landarzt gewesen zu sein und einem jährlichen Heringsfestival hat die kleine Stadt nicht viel zu bieten.
Braucht sie aber auch nicht. Ein paar Fischrestaurants und eine Hafenpromenade reichen uns völlig zum Ferienglück. Da sind wir uns einig, als wir nach einem üppigen, fischigen Abendessens der Hafen-Mole wieder an Bord sitzen und uns um die Biervorräte kümmern.
P.S. Zwischendurch habe ich immer mal wieder versucht das Ferienglück einzufangen. Klappt nur so’n bisschen, wie wir zu Hause fest gestellt haben. Fotos sind fein, aber irgendwie doch nicht dasselbe wie echter Wind und wirkliche Wellen.