Es ist ja manchmal so, dass man sich Sachen vorstellen muss, wenn man ein Buch schreibt. Als ich zum Beispiel das Sylt-Buch geschrieben habe, löste der Frühling gerade den Winter ab. So weit so schön, Sylt ist prima im Frühling, noch besser im Sommer, finden die meisten und hat seine ganz eigene Stimmung im Herbst, finde ich. Denn da habe ich begonnen, auf der Insel für das Buch zu recherchieren. Zu einer gedanklichen, äh, Herausforderung*, wurde es, als ich über die Ausflüge schrieb, die man von Sylt aus unternehmen kann, nein: sollte.
Tondern in Süddänemark zum Beispiel
ist ein bezauberndes kleines Städtchen, ein bisschen verschlafen vielleicht, aber darum nicht weniger hübsch. Alles so, wie das für eine Kleinstadt muss. Aber Sommer ist eben Sommer. Das bringt leichte Luft, glitzernde Sonnenstrahlen, Softeisverkäufer mit sich. Nun ist Tondern aber unglücklicherweise berühmt für seinen Weihnachtsmarkt, die hübschen rot-weißen Dekorationen, den Umzug der Weihnachtsmänner. Wie gesagt, im Mai erforderte es höchsten Willen zur Fantasie, sich das alles auszumalen.
Deshalb musste ich kurz vor Weihnachten noch mal nachgucken, ob ich gut fantasiert hatte. Das Wetter hat uns mit einer gewissen unangebrachten Herbstlichkeit gestört, aber trotzdem. Es passt alles: Tondern ist im Winter selbst ohne Schnee bezaubernd, nun eben noch rot-weißer als die Dänen sich mit ihrem Dannebrog eh immer zeigen.. In der Mitte findet sich ein hübscher kleiner Weihnachtsmarkt mit Buden, die heißen Glögg anbieten und Hotdogs. So muss das in Dänemark, sonst hätte man ja gleich in Hamburg bleiben können. Die Schülerinnen der örtlichen Tanzschule tanzen inmitten der Holzbuden. Das hat was rührend Kleinstädtisches. Am besten aber ist die Gamle Apotek. Wir brauchen gefühlt Stunden uns durch die Vielfalt weihnachtlicher Accessoires zu staunen, hier einen kleinen Engel ganz süß zu finden, dort eine rot-weiße Blechtrommel bezaubernd. Und guck mal da, die Christbaumanhänger, sind die nicht hübsch? Vom Keller bis zum Dachboden im dritten Stock ist jede Ecke der alten Apotheke dekoriert. Das alles in einem liebevoll restaurierten Stadthäuschen aus dem 18. Jahrhundert. Das ganze Haus ist ein wahr gewordener Mädelstraum in der Bullerbü-Variante. Allein deshalb: Hinfahren, gucken und ein ebenso hübsches wie unnötiges Souvenir mitnehmen.
P.S. Oder man nimmt einfach das Sylt–Buch, auch ein nettes Weihnachtsgeschenk. Auf die Insel muss man nicht unbedingt im Dezember fahren. Kann man natürlich machen. Aber viele der 50 Highlights, die ich für das Buch besucht habe, sind auch im Sommer toll. Etwa der Garten des Kapitänshauses in Keitum oder der beste aller Sonnenuntergänge im Meer vor Wennigstedt. Côte d’Azur, geh mir weg, besser als am Strand von Sylt wird’s nicht. Wirklich, ich war da. Lesen Sie es einfach selbst nach. Nein, besser, fahren Sie hin, gucken sie nach. Bei der Gelgenheit können Sie auch gleich überprüfen, ob die Uwe Düne vor Kampen noch da ist und der Hörnumer Leuchtturm, und, ach, so viel…
* Ich bin mit dem Problem nicht allein, Erich Kästner litt schon in den Dreißigern unter Sommer, als er Drei Männer im Schnee schrieb.