In Hamburg perlt der Regen gerade so sanft und ausdauernd wie eine teure Regendusche im Luxushotel, nur nicht ganz so warm vielleicht. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt, ich mag meinen Alltag in der Hansestadt. Das muss hier so. Regen mitten im Sommer, Jahreszeiten, also noch drei weitere außer Sommer, das ist alles ganz richtig so und soll sich bitte jedes Jahr erwartbar wiederholen. Ich möchte keinesfalls digitaler Nomade sein und mein ganzes Leben an irgendwelchen Palmen bestandenen Karibikstränden verbringen müssen*.
Trotzdem, manchmal muss man raus. Schon um hinterher wieder schätzen zu können, wie gemütlich und verlässlich das eigene Bett und die ganz persönlichen Routinen sind. Danach finde ich auch Regenduschen-Regen irgendwie wieder lustig. Raus muss nicht zwingend weit weg oder irre exotisch bedeuten, kann man machen, aber man kann auch einfach nach
Thüringen fahren, an die Unstrut. Die mäandert ganz gemächlich durchs Land, fließt nach Sachsen-Anhalt hinein, dort in die Saale, die wiederum in die Elbe, die später ins Meer fließt. Gegen Ende schon ein wenig eiliger. Aber da sind wir noch nicht.
Der Anfang
Erst mal fahren wir frühmorgens (Woher kommt eigentlich diese bescheuerte Regel, dass Urlaube immer, wirklich immer frühmorgens anfangen?) in Hamburg los. Wir nehmen zwei Boote mit (In unserem Fall Ruderboote, Paddelboote gehen aber auch, eventuell mit etwas kürzeren Etappen, dafür können Sie allerlei schmale Nebenarme durchstreifen, für die ein ausgewachsenes Ruderboot viel zu breit ist.), einen erstaunlich großen Haufen Packsäcke, Pausenbrote, Kaffee und was sonst noch so alles notwendig ist, um ein paar Stunden Autofahrt zu überleben. Unser Ziel das kleine Städtchen Artern, das an einer Schleife der Unstrut liegt. Hier gibt es einen Kanuverein mit eigenem Steg, an dem wir die Boote zu Wasser lassen konnten. Und dann sind wir los gerudert. Rechts und links grünte es fröhlich vor sich hin, in der Mitte ein ruhiger, langer Fluss, ab und an unterbrochen von einer Schleuse. Rund 30 Kilometer lagen bis Karsdorf vor uns. Eine sehr gemächliche Tagesleistung, so dass genügend Zeit für Schleusen und angrenzende Biergärten und überhaupt allerlei Pausen blieb. So muss das. Abends grillten wir und tranken ein Feierabendbier. Übernachtetet haben wir in großen weißen Tippis auf einem Campingplatz.
Die Strecke
Am nächsten Tag haben wir das Ganze im Prinzip wiederholt. Wieder so 30 Kilometer gerudert, wieder eifrig Pausen eingelegt. Das mussten wir so machen: Hinter Karlsdorf haben wir nämlich das Weingebiet entdeckt, das an der Unstrut die Hänge hochklettert. Und wo Weinberge sind, finden sich auch kleine Wirtschaften. Die müssen natürlich aufgesucht werden und wo wir schon mal da waren, haben wir rasch einen Weißburgunder getrunken. Nachdem wir wussten, wie der schmeckt, mussten wir dringend überprüfen, ob der Grauburgunder besser ist. Vielleicht der Chardonnay? Davon bekommt man Hunger, wenn man den von der mäßigen sportlichen Betätigung nicht eh schon hatte. Also Schmalzbrote mit eingelegten Gurken und Leberwurstbrote, Blutwurstbrote, ach was, die ganze Schlachteplatte. Danach täte ein Gläschen Wein, vielleicht der Riesling, den haben wir noch gar nicht probiert und diesen Müller-Turgau auch nicht. Sie verstehen das Prinzip, so kann man keinesfalls mehr als 30 Kilometer rudern. Nun wirklich nicht.
Die Abwege
Dann und wann überkam es uns und wir haben doch mal eine Kirche, zum Beispiel die Marienkirche in Freyburg besichtigt. Man sollte der Verblödung Einhalt gebieten, wo man nur kann. Natürlich erst, nachdem wir ein Eis gegessen hatten und anschließend lag zufällig auch gleich wieder ein Weingut mit eingebauter Wirtschaft am Wegesrand. Allerdings auch Dome (oder muss die Mehrzahl Dame heißen?), der von Naumburg zum Beispiel und der in Merseburg. Es gab Burgen, wie die Neuenburg, die über Freyburg thront oder Schloss Plötzkau an der Saale. Ein richtiges Schloss ist dagegen Schloss Bernburg, das sich in rot, weiß und blau gefachwerkt über der gleichnamigen Stadt erhebt.
Das Wetter
So mitteldeutsch halt. Machen wir uns nix vor. In Deutschland kann die Sonne scheinen und dann kann es auch sommerliche 28 Grad warm sein. Muss es aber nicht. Genauso schnell kann das Thermometer hinuntersausen, es kann nieseln, tröpfeln, ausgewachsen regnen, Wind kann aufkommen … und dann kitzelt einen wieder die Sonne. Immerhin freut man sich dann viel ausführlicher darüber als in der Karibik.
Die Planung
Ein bisschen mehr planen als bei einem All-Inclusive-Urlaub muss man schon. Eine Wasserwanderkarte um rauszufinden, wo sich Untiefen befinden, Brücken, Schleusen und natürlich Boots-Stege. Die liegen gerne vor Ruder- oder Kanuclubs, wo man praktischerweise die Boote über Nacht liegen lassen kann. In manchen Vereinshäusern kann man auch übernachten. Entlang der Unstrut oder Saale finden sich aber auch immer Pensionen gleich um die Ecke. Vielleicht ist es ein wenig umständlicher als besagter All-Inclusive-Urlaub, dafür aber deutlich lustiger. Schon weil immer wieder wichtige Fragen geklärt werden müssen: Grillen oder Essen gehen, Wein trinken oder Bier, Übernachten im Zelt, im Vereinshaus oder in der Pension nebenan? Und dann muss man die getroffene Entscheidung auch noch umsetzen. Schlimm.
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